Markenlexikon
Der Engländer Phillip Chappel hatte einst als Verkäufer bei dem Chicagoer Fleischkonzern Swift & Company gearbeitet und später damit begonnen, auf seiner eigenen Farm in Batavia/New York Pferde zu züchten, die er während des 1. Weltkriegs an die US-Regierung verkaufte. Als die Pferde dann von Lastwagen und Traktoren ersetzt wurden, verkauften er und seine Brüder Ernest S. und Earle S. Chappel Pferdefleisch für den menschlichen Verzehr. Da der Markt für Pferdefleisch jedoch begrenzt war und die Brüder expandieren wollten, verarbeiteten sie Pferdefleisch zu Dosen-Hundefutter.
1923 erwarben sie eine leerstehende Fleischfabrik der Schamuss Brothers Company in Rockford/Illinois und gründeten dort die Chappell Brothers Inc. Unter Markennamen wie Ken-L-Ration (von Kennel = engl. Hundehütte), Ken-L-Meal, Ken-L Biscuits, Ken-L-Worth oder Pup-E-Ration verkauften die Brüder fortan Hundefutter in Dosen sowie Trockenfutter (Ken-L Biscuits). Anfang der 1920er Jahre errichteten sie ein Tierfutter-Werk in Pendleton bei Manchester (Großbritannien).
1928 gründeten die Chappel Brothers in Miles City/Montana die Tochtergesellschaft C.B.C. (Chappel Brothers Company), die in Montana und Wyoming Weideland pachtete, wo Wildpferde für die Fabrik in Rockford eingefangen wurden. Die Farmer begrüßten die Aktivitäten von C.B.C, da die Pferde ihren Rindern das Gras wegfraßen. Im Gegensatz zur Europa, wo meist Schlachtabfälle für die Produktion des Tierfutters verwendet wurden, stieß die Verwendung von Pferdefleisch als Hundefutter in den USA zunächst auf Ablehnung, vor allem wegen der schlechten Behandlung der Tiere während des Transports. Da das ganze Tierfutter-Geschäft aber für die Beteiligten viel Geld abwarf, konnten sich die Kritiker kein dauerhaftes Gehör verschaffen. Es kam allerdings 1925 zu mehreren Brand- und Sprengstoffanschlägen auf die Fabrik in Rockford, die nur zu geringen Schäden führten. Der Brandstifter Frank Litts, der damit gegen die Schlachtung der Wildpferde protestieren wollte, wurde bald darauf gefasst und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Beworben wurde Ken-L-Ration im Radio, im Kino, auf Plakaten und in Zeitungsanzeigen von dem deutschen Schäferhund Rin Tin Tin (Rinty; 1918 – 1932), der auch in zahlreichen Hollywood-Filmen zum Einsatz kam, ebenso wie später sein Nachfolger Rin Tin Tin Jr. Lee Duncan, der Besitzer und Trainer von Rinty, hatte es zuvor abgelehnt, dem berühmten Hund Dosenfutter zu geben. Daraufhin soll Phillip Chappell eine Dose geöffnet und selbst eine Portion Hundefutter gegessen haben, um zu beweisen wie rein das Fleisch war.
Die Chappell Brothers Company betrieb ab den 1930er Jahren auch eine Forschungseinrichtung, die sich wissenschaftlich mit den Ernährungsbedürfnissen von Hunden und anderen Haustieren beschäftige (Chappel Laboratory for Canine Nutritional Research). Das Werk in Rockford war in den 1920er Jahren der weltweit größte Hersteller von Tierfutter für Hunde, Katzen (Kit-E-Ration; ab 1928) und Vögel (Bird-E-Ration). Daneben verkaufte die Fabrik auch Nebenprodukte aus der Schlachtung, u.a. Knochenstaub, Dünger, Kleber und Gelatine.
Infolge der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren und der zunehmenden Verwendung von Rindfleisch für Tierfutter geriet Chappel Brothers jedoch immer mehr in Schwierigkeiten. Phillip M. Chappel verließ die Firma und ging nach Argentinien, wo er eine Fabrik eröffnete, die Pferdefleisch für den menschlichen Verzehr produzierte. Bald darauf starb er jedoch. 1942 wurde Chappell Brothers von dem Zerealienkonzern Quaker Oats übernommen, der sein Tierfutter-Geschäft in Nordamerika 1995 an an den Nahrungsmittelkonzern Heinz verkaufte, der damals ebenfalls eine Pet-Food-Abteilung besaß.
Das Werk in Manchester war bereits 1934 von Forrest Edward Mars (1904 – 1999), dem Sohn des Süßwarenhändlers Franklin Clarence Mars (Maltesers, Mar-O-Bar, Milky Way, Snickers, Three Musketeers), gekauft worden. Forrest Mars war nach einem Streit mit seinem Vater 1932 nach Europa gegangen, wo er kurzzeitig bei Tobler (Schweiz), Nestlé (Schweiz) und Rowntree (Großbritannien) gearbeitet hatte, und dann in Slough (Großbritannien) eine eigene Firma aufbaute (Mars Ltd., Food Manufacturers Ltd.). Sein Vater hatte ihm 50.000 Dollar mitgegeben und das Recht, den Milky-Way-Riegel in Europa zu produzieren. Mit der Übernahme von Chappel Brothers baute sich Mars ein zweites Standbein auf. Die Produktion des Tierfutters wurde 1935 von Pendleton nach Slough verlegt.
Das Unternehmen (ab 1939 Chappie Ltd., ab 1957 Petfoods Ltd., ab 1972 Pedigree Petfoods Ltd., ab 1975 Pedigree Petfoods Division of Mars Ltd.) wuchs mit Marken wie Chappie (später Chappi), Kit-E-Kat/Kitekat (1939), Meet (1954; ab 1959 Pal), Whiskas (1958), Chum (1960; ab 1964 Pedigree Chum), Frolic (1967), Sheba (1982), Catsan (1983) und Cesar (1984) zum führenden europäischen Tiernahrungshersteller heran. 1968 erwarb Mars/Petfoods den US-Tierfutterhersteller Kal-Kan Petfoods aus Los Angeles und die britische Firma Thomas aus Halifax (Thomas Treats).
In den 1950er Jahren wurde das Mars-Tierfutter bereits in vielen westeuropäischen Ländern verkauft, in Deutschland ab 1959. Neue Werke entstanden 1951 in Melton Mowbray (Großbritannien), 1960 in Verden (Deutsche Petfood GmbH; später Effem GmbH [Effem = F.M. für Food Manufacturers]), 1967 in Wodonga (Australien), 1972 in Columbus/Ohio (USA), 1974 in Woodston/Peterborough (Großbritannien) und 1982 in Minden (Deutschland). 1965 richtete Mars/Petfoods eine Nutrition Research Unit ein, die seit 1973 in Waltham on the Wolds (18 Kilometer nordöstlich von Melton Mowbray) ansässig ist (Waltham Petcare Science Institute).
2002 erwarb Mars den 1968 von Jean Cathary gegründeten französischen Tierfutter-Hersteller Royal Canin S.A. aus Aimargues, der weltweit Fabriken betreibt (u.a. Argentinien, Brasilien, China, Frankreich, Kanada, Polen, Russland, Südafrika, USA).
Mars Petcare (Catsan, Cesar, Chappi, Frolic, Pedigree, Sheba, Royal Canin, Whiskas) ist heute neben Nestlé Purina PetCare (Alpo, Fancy Feast, Felix, Friskies, Purina, Spillers) der größte Tierfutter-Hersteller der Welt.