Markenlexikon

Vickers

Ursprungsland: Großbritannien

Der frühere Müller Edward Vickers (1804 – 1897) gründete 1828 zusammen mit seinem Schwiegervater George Naylor (Mitinhaber eines Hüttenwerks) in Sheffield, dem Zentrum der britischen Stahlindustrie, eine Guss-Stahlfabrik. William Vickers, dem Bruder von Edward, gehörte ein Walzwerk. Edwards Söhne Thomas und Albert traten 1854 in die Firma ein. Vickers produzierte zunächst Kirchenglocken, bald aber auch Schiffswellen (1868), Schiffspropeller (1872), Panzerplatten für Schiffe (1888) und Geschütze (1890).

1897 übernahm Vickers die Werft in Barrow-in-Furness und den Waffenhersteller Maxim Nordenfelt Guns and Ammunition. 1901 baute Vickers in Barrow-in-Furness die Holland 1, das erste U-Boot der Royal Navy (benannt nach dem U-Boot-Erfinder John Philip Holland). 1902 beteiligte sich Vickers an der schottischen Werft John Brown aus Clydebank, die später Schiffe wie die Lusitania (1904/06), die Queen Mary (1930/34), die Queen Elizabeth (1936/38) oder die Queen Elizabeth 2 (1965/67) baute. 1907 beteiligte sich Vickers an dem Torpedo-Hersteller Whitehead. Der britische Ingenieur Robert Whitehead und der italienische Ingenieur Giovanni Luppis hatten in den 1860er Jahren in Fiume/Österreich-Ungarn die ersten Torpedos mit Propellerantrieb und Selbststeuerung entwickelt. 1891 eröffneten sie eine Fabrik in Wyke Regis bei Weymouth/Dorset.

1911 wurde eine Flugzeugabteilung ins Leben gerufen (Vickers Aviation), außerdem eine kanadische Tochtergesellschaft (Canadian Vickers), die Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge (nach US-Lizenzen) für die kanadische Marine und Luftwaffe baute (die Flugzeugabteilung wurde 1944 unter dem Namen Canadair verselbstständigt).

1927 fassten Vickers und Armstrong-Whitworth aus Elswick/Newcastle upon Tyne, ein 1847 von William George Armstrong (1810 – 1900) gegründeter Hersteller von Kranen, Brücken, Geschützen, Schiffen, Lokomotiven, Automobilen und Flugzeugen, ihre Wehrtechnikabteilungen in dem neuen Unternehmen Vickers-Armstrongs zusammen, dem 1938 auch Vickers Aviation und die Supermarine Aviation Works, die Vickers 1928 übernommen hatte, angegliedert wurden. Der Namensteil Whitworth stammte von der seit 1897 zu Armstrong gehörenden Ingenieurfirma Joseph Whitworth. Die Teile von Armstrong-Whitworth, die nicht der Rüstungsproduktion zuzuordnen waren (Automobilbau, Flugzeugbau) wurden an John Davenport Siddeley verkauft (aus dem Zusammenschluss von Hawker Aircraft und Armstrong-Siddeley entstand 1935 Hawker-Siddeley).

Vickers-Armstrongs
Vickers-Armstrongs

Während der beiden Weltkriege war Vickers-Armstrongs Hauptausrüster der britischen Streitkräfte. Das Unternehmen stellte u.a. Maschinengewehre, Geschütze, Panzer, Bomben, Torpedos, Munition, Kampfflugzeuge, U-Boote, Schlachtschiffe, Zerstörer und Flugzeugträger her. Aus den Vickers-Armstrongs-Werken kamen auch der Bomber Wellington (1936 – 1945) und die berühmte Supermarine Spitfire (1936 – 1948), ein einmotoriger Abfangjäger, der zum wichtigsten britschen Jagdflugzeug des Zweiten Weltkriegs avancierte. Während der Schlacht von England 1940 war sie den deutschen Maschinen überlegen und konnte so ein Übergriff des Krieges auf die britische Insel verhindern.

1948 wurde das Stahlgeschäft von Vickers verstaatlicht (English Steel; ab 1967 British Steel). 1955 teilte sich Vickers-Armstrongs in drei Unternehmen auf: Vickers-Armstrongs Shipbuilders, Vickers-Armstrongs Engineers und Vickers-Armstrongs Aircraft. Die Flugzeugabteilung, die nun hauptsächlich zivile Verkehrsflugzeuge produzierte (Vickers 630 Viscount, Vickers 950 Vanguard, Vickers 110 VC10), musste sich 1960 auf staatlichen Druck mit den Flugzeugabteilungen von English Electric und Bristol Aircraft zur British Aircraft Corporation (BAC) zusammenschließen. Im gleichen Jahr stellte Vickers-Armstrongs das erste britische Atom-U-Boot fertig (HMS Dreadnought).

1977 kam auch Vickers-Armstrongs Shipbuilders unter staatliche Kontrolle (British Shipbuilders), ebenso wie kurz zuvor der Flugzeughersteller BAC, der 1977 mit Hawker-Siddeley und Scottish Aviation zum Luft- und Raumfahrtkonzern British Aerospace (ab 2000 BAE Systems) fusioniert wurde.

1980 erwarb Vickers den Fahrzeughersteller Rolls-Royce/Bentley (nicht jedoch den gleichnamigen Triebwerkhersteller, der seit 1971 ein selbstständiges Unternehmen war) und 1990 den Motorenhersteller Cosworth (beide Unternehmen wurden 1998 an Volkswagen verkauft). 1986 kam es zur Reprivatisierung von Teilen der früheren Vickers-Werften (VSEL Vickers Shipbuilding and Engineering Ltd.). Vickers war an diesem Unternehmen nicht mehr beteiligt. VSEL wurde 1995 von GEC-Marconi übernommen. Aus dem Zusammenschluss von British Aerospace mit der GEC-Tochter Marconi Electronic Systems (vormals GEC-Marconi) entstadn 1999 BAE Systems.

Ab 1988 entwickelte Vickers den Kampfpanzer Challenger II, der 1990 in die Serienproduktion ging. 1999 schloss sich Vickers mit dem Triebwerkhersteller Rolls-Royce zur Rolls-Royce Group zusammen. Vickers war innerhalb dieses neuen Konzerns u.a. für Antriebstechnik, Schiffsmotoren, Energieerzeugungsmaschinen und Generatoren zuständig. 2002 verkaufte Rolls-Royce die Wehrtechnikaktivitäten (Vickers Defence Systems) an Alvis, ein Hersteller von Spezialfahrzeugen für die britische Armee. 2004 wurde Alvis-Vickers (Challenger-Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Minenräumgeräte) von BAE Systems übernommen, mit RO Defence (Royal Ordnance) zusammengeschlossen und in BAE Systems Land Systems umbenannt.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Public Domain