Markenlexikon

Varta

Ursprungsland: Deutschland

Der Luxemburger Ingenieur Henri Owen Tudor (1859 – 1928) entwickelte 1881 einen Blei-Akkumulator, aus dem Strom ohne Spannungsschwankungen gewonnen werden konnte. Blei-Schwefelsäure-Batterien hatte es auch vorher schon gegeben – als Erfinder und Entwickler gelten der deutscher Physiker Johann Wilhelm Ritter (1801), der deutsche Arzt Wilhelm Josef Sinsteden (1854), der französische Physiker Gaston Planté (1859) und der französische Chemiker Camille Alphonse Faure (1881). Doch mit ihrer Funktionsfähigkeit im alltäglichen Gebrauch war es noch nicht weit her. Im Prinzip handelte es sich noch um Versuchsgeräte. Tudor verwendete die von ihm entwickelten Akkumulatoren zur Beleuchtung seines Schlosses in Rosport (Luxemburg), das in einer Zeit, in der Kraftwerke noch Zukunftsmusik waren, lange Zeit das einzige Gebäude in Europa war, in dem rund um die Uhr elektrisches Licht zur Verfügung stand. Nur wenige Jahre zuvor hatte Thomas Alva Edison, mit dem Tudor in Briefkontakt stand, die elektrische Glühbirne entwickelt. Die Tudor-Batterien wurden mit Hilfe einer Dynamo-Maschine aufgeladen, die an eine Wassermühle angeschlossenen war. 1886 ließ Tudor seine Erfindung patentieren. Im gleichen Jahr stattete er den Ort Echternach (Luxemburg) mit einer elektrischen Beleuchtungsanlage aus, die die Straßenbeleuchtung versorgte sowie rund 120 Lampen in den Häusern des Dorfes. Gemeinsam mit seinen Brüdern und ihrem Vetter Nicolas Schalkenbach gründeten sie anschließend das erste Produktionswerk in Rosport.

1887 erwarb der deutsche Kaufmann Adolph Müller (1852 – 1928) die Produktions- und Vertriebsrechte für das Deutsche Reich, Österreich-Ungarn, Russland, die Schweiz, die skandinavischen Länder sowie den Balkan und gründete gemeinsam mit Paul Büsche in Hagen die Accumulatoren-Fabrik Tudorschen Systems Büsche & Müller (ab 1889 Accumulatoren-Fabrik Tudorschen Systems Müller & Einbeck). Als Produktionsstätte diente ein altes Hammerwerk in Hagen-Wehringhausen. Im Januar 1888 begann dort mit 40 Angestellten die Produktion von Tudors Blei-Akkumulatoren. 1890 entstand unter Beteiligung der Elektrokonzerne AEG und Siemens sowie der Deutschen Bank die Accumulatoren-Fabrik AG (AFA). Um die Jahrhundertwende hatte die AFA in Europa bereits eine Monopolstellung inne, vor allem nachdem man die spanischen und britischen Tudor-Gesellschaften übernommen hatte, die jedoch während des 1. Weltkriegs wieder verloren gingen. Zur gleichen Zeit entwickelte sich die AFA zu einem führenden Zulieferer für die deutsche Rüstungsindustrie (U-Boot-Batterien).

Für die Produktion von kleinen transportablen Blei-Akkumulatoren wurde 1904 in Berlin-Oberschöneweide die Tochtergesellschaft »Vertrieb, Aufladung, Reparatur transportabler Akkumulatoren GmbH« (VARTA) gegründet. Zum Einsatz kamen diese Batterien in Taschenlampen, Telegrafenanlagen und Signalapparaten.

1923 kaufte sich der frühere Tuchfabrikant und Industrielle Günther Quandt (Byk-Gulden-Lomberg, Dürener Metallwerke, Wintershall), dessen damalige Frau Magda 1931 den Nazipropagandaminister Joseph Goebbels heiratete, mehrheitlich bei der AFA ein. Von 1936 bis 1938 errichtete die AFA in Hannover-Stöcken ein weiteres Werk zur Produktion von Autobatterien. Während des 2. Weltkriegs produzierte das Unternehmen Batterien für die deutschen U-Boote, für Torpedos und für die ballistische Großrakete A4 (V2), außerdem Auto-, Flugzeug- und Luftschiffbatterien.

Nach dem Ende des Krieges waren die AFA-Werke entweder zeilweise zerstört oder wurden durch die Allierten beschlagnahmt bzw. später in volkseigene Betriebe umgewandelt. Die AFA nahm schon im Juni 1945 die Produktion im Werk Hagen wieder auf, kurz darauf auch in Hannover. Hergestellt wurden zunächst Starterbatteien für die Militärfahrzeuge der Allierten. 1946 lief in einer früheren Propellerfabrik in Ellwangen die Produktion von Trockenbatterien und Taschenlampen an. Da sich der Name Varta in der Nachkriegszeit durch die Batterien sowie den Hotel- und Restaurantführer Varta-Führer durch Deutschland (ab 1957; in Zusammenarbeit mit Mairs Geographischer Verlag Stuttgart) immer mehr in der Öffentlichkeit durchgesetzt hatte, benannte sich die AFA 1962 in Varta AG um. Bei dieser Gelegenheit wurde der Verwaltungssitz von Hagen nach Frankfurt am Main verlegt, 1965 folgte auch der juristische Firmensitz.

Varta
Varta

Nach dem Zusammenschluss der Varta AG, die sich zu rund 60 Prozent im Besitz der Quandt-Familie befand, mit der Quandt-Familienholding AGFI (Allgemeine Gesellschaft für Industriebeteiligungen mbH), fungierte die neue Varta AG ab 1972 als Holdinggesellschaft (Varta Batterie, Ceag-Dominit, Byk-Gulden Lomberg chemische Fabrik, Mouson Cosmetic, Milupa, SE Fahrzeugwerke). 1975 wurde der Firmensitz der Holding nach Bad Homburg verlegt, wo auch die Quands ihr Domizil haben. 1977 kam es zur Aufteilung in die drei eigenständigen Unternehmen Varta AG (Batterien), Altana AG (Byk-Gulden-Lomberg, Milupa, Mouson Cosmetic) und CEAG AG (Elektrotechnik).

Mit dem Verkauf des Bereichs Industriebatterien und des größten Teil des Stammwerks Hagen an den britischen Mischkonzern BTR (seit 1999 Invensys), der diese Sparte 2002 an das US-Unternehmen EnerSys weiterreichte, begann 1995 die Auflösung der Varta AG. 2000 erwarb die Beteiligungsgesellschaft GOPLA (Deutsche Bank) 90 Prozent der Varta-Anteile. 2002 verkaufte Varta den Bereich Autobatterien mit dem Werk in Hannover an das US-Unternehmen Johnson Controls. Der Geschäftsbereich Gerätebatterien in Ellwangen (Babyzellen, E-Blöcke, Mignonbatterien, Monozellen) wurde 2002 in ein Jointventure mit dem US-Batteriehersteller Rayovac (seit 2005 Spectrum Brands) eingebracht. Die Mikrobatteriesparte in Ellwangen (Batterien für Computer, Mobiltelefone, Notebooks, Hörgeräte, Uhren) erwarb 2007 die österreichische GEP Gruppe (Global Equity Partners), die diesen Bereich daraufhin in das neugegründete Unternehmen Montana Tech Components (Reinach/Schweiz) eingliederte. Die Varta AG – seit 1995 in Hannover ansässig – konzentrierte sich nur noch auf die Verwaltung und Verwertung von Vermögen, Immobilien, Verbindlichkeiten und Beteiligungen. 2011 veräußerte die Quandt-Familie ihre letzten Varta-AG-Anteile an den Montana-Besitzer Michael Tojner.

2012 wurden die Montana-Gesellschaften Varta Microbattery Ellwangen, das 2009 gegründete Jointventure Volkswagen Varta Microbattery und das 2012 gegründete Unternehmen Varta Storage Nördlingen (Energiespeicherlösungen für Privathaushalte und Großspeicheranwendungen) zur Varta Holding AG (Ellwangen) vereinigt. Im Oktober 2017 ging die Varta AG an die Frankfurter Wertpapierbörse.

2019 erwarb die Varta AG von Energizer Holdings die Sparte Varta Consumer Batteries (Akkus, Gerätebatterien, Ladegeräte, Taschenlampen) und das dazugehörige Werk in Dischingen. Der US-Batteriehersteller hatte das Batteriegeschäft mit den Marken Rayovac und Varta 2018/2019 von Spectrum Brands gekauft, musste das europäische Geschäft (Varta) jedoch auf Geheiß der EU-Kartellbehörden abgeben. Außerhalb Europas kann Energizer die Marke Varta über Lizenzverträge weiter nutzen. Die Sparte Autobatterien in Hannover verkaufte Johnson Controls 2019 an die kanadische Private-Equity-Firma Brookfield Business Partners, die Johnson Controls Power Solutions daraufhin in Clarios umbenannte.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain