Markenlexikon

Uher

Ursprungsland: Deutschland

Der in Ungarn geborene Ingenieur Edmond Uher (1892 – 1989) war ein außergewöhnlich produktiver Erfinder. Bereits als 16-jähriger entwickelte er einen Doppelvergaser für Luftschiffe, der von flüssigen Brennstoff (Benzin) auf gasförmigen Brennstoff (Wasserstoff), mit denen Luftschiffe damals gefüllt waren, umgeschaltet werden konnte. Der zuständige Patentanwalt lehnte die Erteilung eines Patents zwar ab, weil er glaubte, dass der Doppelvergaser in der Praxis nicht anwendbar sei, doch kurze Zeit später brachte Renault genau diesen Doppelvergaser auf den Markt.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs entwickelte Uher, dessen Vater als Fotograf arbeitete, die Corex-Filmdosen, mit denen Filmnegative schneller und kostengünstiger entwickelt werden konnten. Doch auch die Corex-Werke Berlin mussten bald wieder schließen. Seine berühmteste Erfindung gelang ihm 1930 mit der Fotosetzmaschine Uhertype, bei der die Buchstaben nicht mehr in Blei gegossen werden mussten, sondern als Abbildung negativ oder positiv auf Film oder Fotopapier übertragen wurden.

1934 gründete er in München-Pasing eine neue Firma, an der zeitweise MAN, BMW und Messerschmitt beteiligt waren. Ein weiteres Zweigwerk entstand 1939 in Wien. Während des Krieges übernahm Uher noch ein Flugzeugarmaturenwerke in Budapest. Die Uher-Werke produzierten u.a. Messinstrumente für die Flugzeugindustrie, Propellersteuerungen, elektrische Warmluftöfen und Betriebsstundenzähler. 1939 beendete Uher die Weiterentwicklung der Fotosetzmaschine; die beiden Prototypen wurden verkauft.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ging das Werk in Budapest verloren. In München wurde die Produktion auf zivile Produkte umgestellt, u.a. fertigte die Firma nun vollautomatische Keilriemenkupplungen für Mopeds und Motorroller sowie Automatikgetriebe für Automobile, Modelleisenbahnen und Tonbandgeräte. Das erste Uher-Tonbandgerät (Uher 95) wurde der Öffentlichkeit 1955 auf der Rundfunkmesse in Düsseldorf vorgestellt. Bald darauf stellte die Firma, die sich ab 1957 im Besitz von Carl Theodor Graf zu Toerring-Jettenbach und dessen Sohn Hans Veit Kaspar Nikolaus Erbgraf zu Toerring-Jettenbach befand, alle anderen Aktivitäten ein. Weitere Produktionsstätten wurden 1960 in Buchbach, 1962 in München-Obersendling und 1966 in Asch-Leeder in Betrieb genommen. Edmond Uher, der sich nur noch um die Wiener Niederlassung kümmerte, schied 1970 aus dem aktiven Geschäftsleben aus.

Der Durchbruch gelang Uher 1961 mit dem nur 4,5 Kilogramm leichten mobilen Reporter-Tonbandgerät Uher Report, von dem rund 1,5 Millionen Exemplare in die ganze Welt verkauft werden konnten. Das Gerät wurde nicht nur von Reportern verwendet, sondern auch von Rundfunkstudios, Geheimdiensten in Ost und West, Polizeibehörden (FBI), Wetterdiensten, Politikern (US-Präsident John F. Kennedy), Schriftstellern, Filmagent James Bond benutzt es und selbst im Weltall kam es in einem Gemini-Raumschiff zum Einsatz. Das »Report« blieb in verschiedenen Ausführungen bis 1999 in Produktion. Die Heimtonbandgeräte von Uher verkauften sich aufgrund ihres hohen Preises jedoch weniger gut. In den 1970er Jahren produzierte das Unternehmen auch eine Zeitlang Kassettengeräte und Verstärker.

Die Invasion der japanischen Unterhaltungselektronikkonzerne Anfang der 1970er Jahre brachten Uher – und viele andere deutsche Hersteller – in Schwierigkeiten, die 1974 zum Verkauf an die Firma Assmann aus Bad Homburg führten, einen 1946 gegründeten Hersteller von Aufzeichnungs- und Überwachungssystemen. Das Werk München wurde 1980 geschlossen. In den 1980er Jahren lizensierte Assmann den Markennamen Uher an verschiedene Firmen, die hochwertige HiFi-Komponenten (Harman), aber auch billige Importware wie Radiowecker, Uhrenradios oder Kompakt-Stereoanlagen (Otto-Versand), mit dem bekannten Schriftzug verkauften.

1996 teilte sich Assmann in die Unternehmen Atis Systems, Uher, Uher Electronic und Uher Informatik auf. Die Produktion von eigenen Audiogeräten wurde 2013 aufgegeben. Uher Informatik (Braunschweig) vertreibt heute nur noch Büroprodukte (Kopierer, Drucker, Aktenvernichter, Diktiergeräte, Spracherkennungssoftware, Headsets) von Fremdfirmen (Canon, Brother, Grundig, Lexmark, Olympus, Philips, Sennheiser, Utax).

Text: Toralf Czartowski