Markenlexikon
Der Mechaniker Hisashige Tanaka (1799 – 1881) wird gelegentlich als Edison Japans bezeichnet, obwohl seine Erfindungen viel unspektakulärer waren, als die seines amerikanischen Kollegen. Tanaka bastelte mechanische Uhren und Puppen, zugegeben mit außergewöhnlich ausgeklügelten Mechaniken. Manche sehen in ihm auch den Schöpfer der ersten japanischen Vorläufer des Roboters, wobei die Wortschöpfung »Roboter« erst 1921 von dem tschechischen Schriftsteller Karel Capek in seinem Roman »R.U.R.« (Rossums Universal Robots) in Anlehnung an das in mehreren slawischen Sprachen vorkommende Wort »robota« (Frondienst, Arbeit) erstmals verwendet wurde. 1875 wandte sich Tanaka dann handfesteren Produkten zu und gründete in Tokyo die Telegrafenbaufirma Tanaka Seizo-sho, die ab 1904 als Shibaura Seisakusho (Shibaura Werke) firmierte – benannt nach einem Stadteil Tokyos.
Ichisuke Fujioka (1857 – 1918), der zweite Gründer des späteren Toshiba-Konzerns, hatte nach seiner Ausbildung einige Jahre in einer Edison-Glühlampenfabrik in Amerika gearbeitet. Nach seiner Rückkehr ging er zunächst als Chefingenieur zur Tokyo Electric Light Company, die von der amerikanischen Edison-Gesellschaft die Glühlampenlizenz für Japan erhalten hatte. 1890 gründete er gemeinsam mit Shoichi Miyoshi in Tokyo die Firma Hakunetu-Sha, die die ersten japanischen Glühlampen produzierte. 1899 benannte sich das Unternehmen in Tokyo Denki Kabushiki Kaisha (Tokyo Elektrik Aktiengesellschaft) um.
1939 schlossen sich Tokyo Denki und Shibaura unter dem Namen Tokyo Shibaura Denki Kabushiki Kaisha (Tokyo Shibaura Elektrik Aktiengesellschaft) zusammen. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Produktpalette u.a. auf Radarsysteme (1942), Computer (1954), Elektrische Hausgeräte (1955), Fernsehgeräte (1959), Mikrowellengeräte (1959) und Kernkraftwerke (1963) ausgedehnt. Anfang der 1960er Jahre entwickelte Tokyo Shibaura das Steuersystem für den Tokaido Shinkansen Express, den ersten Hochgeschwindigkeitszug der Welt, der ab Oktober 1964 auf der Strecke Tokyo – Osaka planmäßig mit einer Reisegeschwindigkeit von 200 Kilometer pro Stunde verkehrte. 1983 war die Firma neben Philips, Panasonic, Sony und Texas Instruments an der Entwicklung der Compact-Disc (CD) beteiligt, 1984 brachte Toshiba mit dem T1000 einen der ersten Laptops auf den Markt (von Toshiba stammt auch die Bezeichnung »Notebook«), und im Jahr 2000 installierte man im 508 Meter hohen Taipei Financial Center (Taiwan) den damals schnellsten Aufzug der Welt (1000 Meter pro Sekunde).
Toshiba gehört neben Hitachi und Mitsubishi Heavy Industries zu den japanischen Konzernen, die Kernreaktoren bauen. Das Unternehmen, das sich auf Siedewasserreaktoren spezialisiert hat, die auf Entwicklungen von General Electric (GE) basieren, war am Bau der japanischen Kernkraftwerke Fukushima Daiichi (1966 – 1971), Fukushima Daini (1976 – 1982), Higashidōri (2000 – 2005), Kashiwazaki-Kariwa (1977 – 1985) und Onagawa (1970 – 1984) beteiligt.
1984 benannte sich das Unternehmen nach seiner schon lange vorher verwendeten Marke Toshiba (Tokyo + Shibaura) in Toshiba Corporation (Kabushiki-gaisha Toshiba) um.
2006 erwarb Toshiba mehrheitlich den US-Reaktorenbauer Westinghouse Electric, wodurch das Unternehmen zum weltgrößten Hersteller von Kernkraftwerken aufstieg. Westinghouse Electric geht auf den 1886 von George Westinghouse gegründeten US-Elektrokonzern Westinghouse Electric zurück, der sich 1995 mit dem Medienkonzern CBS zusammengeschlossen hatte. Die aus dieser Fusion entstanden CBS Corporation verkaufte anschließen alle Geschäftsfelder, die nichts mit Medien zu tun hatten, u.a. 1997 die konventionelle Kraftwerkssparte an Siemens und 1999 die Kernkraftsparte (Hochdruckreaktoren) an den britischen Staatskonzern British Nuclear Fuels (BNFL).
2015 entdeckten japanische Regulierungsbehörden Unregelmäßigkeiten in den Büchern von Toshiba. Von 2008 bis 2014 hatte der Konzern seine Bilanzen auf Veranlassung des Managements um rund 150 Milliarden Yen geschönt. Toshiba-Chef Hisao Tanaka und sieben weitere Manager mussten daraufhin von ihren Posten zurücktreten. Einen ähnlichen Vorfall hatte es bereits 2011 beim japanischen Optikkonzern Olympus gegeben.
Infolge des Bilanzskandals musste sich Toshiba von mehreren Geschäftsbereichen trennen. Die Toshiba Medical Systems Corporation (Medizingeräte) wurde 2016 an Canon verkauft, die Hausgerätesparte übernahm ebenfalls 2016 die chinesischen Midea Group. Die TV-Geräte-Sparte ging 2017 an Hisense Electric (China). 2017/2018 veräußerte der Konzern sein Speicherchip-Sparte teilweise an ein Investorenkonsortium (Bain Capital Private Equity, SK Hynix, Hoya, Seagate, Apple, Dell), behielt aber 40 Prozent der Anteile an der Toshiba Memory Corporation (firmiert seit 2019 als Kioxia). Das Notebook-Geschäft wurde 2018 an Sharp verkauft.
Nachdem Verzögerungen und Kostenüberschreitungen beim Bau zweier Kernkraftwerke in den USA (Alvin W. Vogtle Electric Generating Plant - Burke County/Georgia, Virgil C. Summer Nuclear Power Station - Fairfield County/South Carolina) Toshiba an den Rand des finanziellen Ruins gebracht hatten, musste Westinghouse Electric im April 2017 Gläubigerschutz beantragen. 2018 verkaufte Toshiba seine Anteile an der Westinghouse Electric Company LLC an die kanadische Investmentfirma Brookfield Business Partners.
Toshiba ist heute ein breit aufgestellter Technologiekonzern mit hunderten Tochtergesellschaften weltweit, die die verschiedensten Produkte entwickeln und herstellen (u.a. Aufzüge, Antriebstechnik, Bürogeräte, Business Displays, Elektromotoren, Energieversorgungssysteme, Industrielle Kamerasysteme, Kernkraftwerke, Klimasysteme, Lichttechnik, Sicherheits- und Automationssysteme, Wärmepumpen).