Markenlexikon

Swift

Ursprungsland: USA

Gustavus Franklin Swift (1839 – 1903) wuchs zusammen mit zwölf Geschwistern auf der Farm seiner Eltern in Massachusetts auf, die dort Rinder, Schafe und Schweine züchteten und schlachteten. Im Alter von vierzehn Jahren arbeitet er für zwei Jahre in der Metzgerei, die einem seiner Brüder gehörte. Mit der finanziellen Hilfe seines Onkels, der ihm 400 Dollar lieh, gründete er 1855 einen eigenen Viehandel. Swift kaufte das Vieh in Brighton bei Bosten, dem damals größten Viemarkt in ganz Massachusetts, und und trieb es nach Eastham, was rund zehn Tage dauerte. Einer Anekdote zufolge soll er den Tieren auf den letzten Meilen der Reise kein Wasser mehr gegeben haben, damit sie bei der Ankunft in Eastham große Mengen an Flüssigkeit tranken und so ihr Gewicht erhöhten. Dadurch konnte er sie teurer verkaufen. 1862 eröffnete Swift mit seiner damaligen Frau eine Metzgerei und ein Schlachthaus. 1869 zogen sie nach Brighton, wo Swift 1872 zusammen mit dem Fleischhändler James A. Hathaway ein neues Unternehmen (Hathaway & Swift) gründete, das sie bald darauf erst nach Albany, dann nach Buffalo und schließlich 1875 nach Chicago verlegten. 1878 wurde einer seiner Brüder Partner in dem Unternehmen, das sich nun Swift Bros. and Company nannte. Ab 1885 firmierte es dann als Swift & Company.

Chicago entwickelte sich nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861 – 1865) zu einem Eisenbahnzentrum, wo viele Strecken in den Mittelwesten und an die Pazifikküste begannen oder endeten. Daher eignete sich die Stadt gut als Handels- und Verarbeitungsplatz für Vieh und Fleisch. Die Rinderherden wurden von den Weiden in den Great Plains bis nach Kansas City getrieben, in Eisenbahnwaggons verladen und nach Chicago transportiert. Dort verkaufte man die lebenden Tiere an Händer aus den ganzen USA weiter oder schlachtete sie vor Ort und verkaufte nur das Fleisch. Im Chicagoer Stadteil New City entstand ab 1865 auf 130 Hektar (später 190 Hektar) ein ganzer Industriekomplex mit Eisenbahnanbindung, Dampfkraft- und Elektrizitätswerken, Pferchen, Schlachtereien, Verpackungsfabriken, Verwaltungsgebäuden, Hotels, Restaurants und Saloons (Union Stock Yards). Das Gelände und die Gebäude gehörten der Union Stock Yard & Transit Company, hinter der mehrere Eisenbahngesellschaften standen. Neben den Viehhändlern und großen Fleischverarbeitern wie Armour & Company, G. H. Hammond, Morris & Company und Swift & Company mieten sich dort auch zahlreiche Industriebetriebe ein, die sich auf Nebenprodukte der Fleischverarbeitung spezialisiert hatten (Fette, Knochen), z.B. Hersteller von Seifen, Kleber, Leder, Gelatine, Dünger oder Parfum. Kein Gramm der Tiere blieb ungenutzt. Zeitweise arbeiteten in den Union Stock Yards 40.000 Menschen unter erbärmlichen Bedingungen. Jedes Jahr gingen rund 13 Millionen Rinder, Schweine und Schafe durch die Schlachhöfe, tot oder lebendig – rund um die Uhr, 365 Tage. Hier wurde auch das Fließbandsystem erfunden, das Henry Ford später auf die Autoproduktion übertrug. Die schlimmen hygienischen Bedingungen in den Schlachhöfen, die durch den Roman »Der Dschungel« von Upton Sinclair an die Öffentlichkeit gelangten, führten 1906 zur Verabschiedung des Federal Meat Inspection Acts und des Pure Food and Drug Acts.

Swift
Swift

Der Niedergang der Stock Yards begann nach dem 1. Weltkrieg, als sich Kühlwaggons immer mehr durchsetzten. Bereits ab den 1840er Jahre hatte einzelne Eisenbahngesellschaften und auch die Fleischpacker mit Natureis in Waggons experimentiert. Es sollten aber noch viele Jahre vergehen, bis die Kühlung zuverlässig und bei jedem Wetter funktionierte. Als es dann soweit war, verloren die Schlachthöfe von Chicago, die lange Zeit ebenfalls mit Natureis gekühlt wurden, nach und nach ihre Bedeutung. Die verkehrstechnisch und klimatisch günstige Lage der Stadt spielte bald keine Rolle mehr. Die Tiere direkt vor Ort zu schlachten und das Fleisch dann mit Kühlwaggons in alle Teile der USA zu transportieren war wesentlich effizienter, als die Herden erst mit der Eisenbahn nach Chicago zu schaffen, wobei ein nicht unbeträchtlicher Teil schon während der Fahrt starb und nicht mehr verkauft werden konnte. Die Eisenbahngesellschaften, denen die Stock Yards gehörten und die dort viel Kapital investiert hatten, wehrten sich mit Händen und Füßen gegen die neue Technik, doch letztlich vergeblich.

Anschließend mussten die Fleischkonzerne nur noch die Essgewohnheiten der Amerikaner ändern, die es gewohnt waren, dass ihr Fleisch direkt vor Ort geschlachtet und verarbeitet wurde. Denn ein Großteil des Fleisches aus Chicago war zuvor in lebendiger Form an die regionalen Metzgereien geliefert worden. Abgepacktes und portioniertes Fleisch, dem jeder Hinweis auf das Tier und den Tod fehlte, war eher etwas für Großstädter. Mit Kampfpreisen konnte aber bald auch die ländliche Bevölkerung abseits der großen Metropolen überzeugt werden.

Die Union Stock Yards schlossen 1971 ihre Pforten. Heute erinnert nur noch ein steinerner Torbogen an den einst größten Schlachhof der Welt. Auch die Grand Central Station, einer der weltweit größten Bahnhöfe, wurde 1971 abgerissen.

Swift & Co. betrieb in seinen besten Zeiten zahlreiche Fleischverarbeitungsbetriebe in den USA, u.a. in Chicago/Illinois, Denver/Colorado, Forth Worth/Texas, Glenwood/Iowa, Kansas City/Kansas, Montgomery/Alabama, National City/Illinois, San Francisco/California, Sioux City/Iowa und St. Paul/Minnesota. Dort wurden Rinder, Schweine, Schafe und Truthähne geschlachtet und zu den unterschiedlichsten Produkten verarbeitet (u.a. frisches, geräuchertes und gefrorenes Fleisch, Fleischkonserven, Tierfutter, Backfett, Schmalz, Seife, Klebstoffe, Arzneimittel, Düngemittel, Babynahrung). Daneben kaufte sich der Konzern auch in andere Branchen ein, u.a. Milchprodukte (Margarine, Butter, Käse), Versicherungen (Globe Life Insurance, Ryan Insurance Group und Erdöl (Vickers Petroleum).

1973 gründete Swift & Co. die Holdinggesellschaft Esmark Inc. mit Sitz in Chicago, die auch weiterhin diverse Unternehmen kaufte, die nichts mit Fleisch zu tun hatten (u.a. Avis Rent-A-Car, Canada Dry, Halston, Hunt Foods, STP Motor Oil, McCall's Publishing, Max Factor, Norton Simon, Playtex). 1980 verselbstständigte Esmark das Fleischgeschäft unter dem Namen Swift Independent Packing Company (SIPCO). Der Rest von Esmark wurde 1984 von The Beatrice Companies übernommen, ebenfalls ein Mischkonzern. 1987/1989 kaufte der Agrar- und Nahrungsmittelkonzern ConAgra die SIPCO und 1989 auch Beatrice Foods. ConAgra fusionierte SIPCO mit dem Fleischverpacker Monfort, der ebenfalls seit 1987 zu ConAgra gehört hatte. Das vereinigte Unternehmen firmierte nun wieder als Swift & Company.

ConAgra verkaufte Swift & Company 2002/2004 an zwei Private-Equity-Firmen (Hicks, Muse, Tate & Furst, Booth Creek Management). 2007 wurde schließlich der 1953 gegründete brasilianische Fleischkonzern JBS S.A. São Paulo (José Batista Sobrinho Sociedade Anônima) neuer Eigentümer von Swift & Company. Dadurch stieg JBS zum größten Rindfleischverarbeiter der Welt auf. JBS verwendet die Marke Swift weiterhin zur Vermarktung von Fleisch, Wurst und Fertigsuppen.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Public Domain