Markenlexikon

Sisu

Ursprungsland: Finnland

Der Maschinenbauingenieur Tor Ragnar Nessling (1901 – 1971) arbeitete zunächst bei mehreren finnischen Autoimporteuren. 1929 wurde er technischer Leiter der Firma Autoteollisuus Bilindustri, die Busaufbauten fertigte und auf Fahrgestelle montierte. 1931 schloss sich Autoteollisuus Bilindustri mit der Karosseriefirma Osakeyhtiö Autokoritehdas zur Aktiengesellschaft Suomen Autoteollisuus (SAT) zusammen. Generaldirektor wurde zunächst John Hellsten und ab 1932 Tor Nessling. Sein Ziel war es von Anfang an, eine Nutzfahrzeugindustrie in Finnland aufzubauen. Als Markenname wählte das neue Unternehmen das finnische Wort »Sisu«, mit dem die Finnen eine mentale Eigenschaft bezeichnen, die man mit »Kraft«, »Beharrlichkeit«, »Kampfgeist«, „Durchhaltevermögen «und »Ausdauer« übersetzen kann.

Von der finnischen Regierung bekam er jedoch kaum Unterstützung. Sie sah weder das Potential bezüglich der Arbeitsplätze, noch die militärische Bedeutung einer Fertigung von Nutz- und Armeefahrzeugen im eigenen Land. Sie reduzierte in den 1930er Jahren sogar die Einfuhrzölle für schwere Nutzfahrzeuge, was die Konkurrenzsituation verschärfte. Trotzdem gelang es SAT eine Nutzfahrzeugproduktion hochzuziehen. Anfangs bestand der Großteil der Fahrzeugkomponenten aus Importen, doch schon bald stieg der Anteil der eigenen Fertigung an. Die Motorenkonstruktion stammte von der Hercules Engine Company aus den USA, wurden aber von Sisu in Finnland in Lizenz hergestellt. 1938 erwarb Tor Nessling die Mehrheit an SAT.

Während des 2. Weltkriegs, als die Sowjetunion Finnland angriff (1939/1940), verlegte SAT die Produktion in eine neues Werk nach Karis (Karjaa), um sowjetischen Bombenangriffen auf Helsinki zu entgehen. Da SAT den Bedarf an Militärfahrzeugen alleine nicht decken konnte, wurden die Sisu-Fahrzeuge in dieser Zeit auch von dem neugegründeten Staatsunternehmen Yhteissisu in Vanaja (ab 1948 Vanajan Autotehdas) produziert. Tor Nessling fungierte bis 1946 auch als Generaldirektor von Yhteissisu, allerdings nur auf staatlichen Druck hin. Er war nicht besonders glücklich darüber, dass mit saatlicher Hilfe und den Sisu-Technologien ein neuer Konkurrent im eigenen Land entstand. Nach dem Ende des Krieges produzierte Yhteissisu dann unter dem neuen Firmennamen Vanajan Autotehda (VAT) weiterhin Lkw, die auf den Sisu-Konstruktionen basierten.

Sisu
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Dennoch behielt SAT stets die Überhand. In den 1950er und 1960er Jahren fertigte das Unternehmen neben Lastwagen und Busfahrgestellen auch Straßenbahnen und Stadtbahnen. Die Lastwagen, die von britischen Leyland-Motoren angetrieben wurden, exportierte SAT in viele Länder der Welt. Als der SAT-Hauptkonkurrent Vanajan Autotehdas (VAT) Ende der 1960er Jahre in finanzielle Schwierigkeiten geriet, initierte Nessling eine Übernahme. Damit wollte er verhindern, dass VAT eventuell von einem großen ausländischen Konkurrenten wie Volvo oder Scania übernommen wurde. 1968 kam es zum Zusammenschluss von SAT und VAT, was allerdings dazu führte, dass Tor Nesslings Beteiligung an dem Unternehmen auf unter 50 Prozent viel. Der finnische Staat war nun an SAT mit rund 17 Prozent beteiligt. Da sich Tor Nessling mit der neuen Situation und den Spannungen im Vorstand, die sich daraus ergaben, nicht anfreunden konnte, trat er 1970 als Geschäftsführer zurück und zog sich ins Privatleben zurück. Nachdem er 1971 verstorben war, verkaufte seine Witwe die SAT-Beteiligung und brachte das Familienvermögen in eine Stiftung ein.

Ab den 1970er Jahren verwendete SAT vor allem Motoren von Cummins und Rolls-Royce, später auch von Caterpillar und Renault. 1981, zum fünfzigsten Firmenjubiläum, benannte sich SAT nach seiner Marke in Oy Sisu Auto Ab um. 1997 wurde der finnische Partek-Konzern (Containerumschlag, Ladungsumschlag, Forstmaschinen, Valtra-Traktoren) neuer Eigentümer von Sisu Auto. 2002 ging Partek in den Besitz des finnischen Aufzugherstellers Kone über, der aber nur an dem Materials-Handling-Geschäft interessiert war und Sisu Auto daher an eine finnische Investorengruppe weiterreichte, die die neue Holdinggesellschaft Suomen Autoteollisuus Oy gründete. Sisu Auto produziert heute Lkw, Busse, Busfahrgestelle, Autokrane, Terminal-Zugmaschinen und Militärfahrzeuge. Seit 2010 kooperiert Sisu mit Daimler Trucks, sodass verschiedene Mercedes-Benz-Komponenten auch in den Sisu-Fahrzeugen verbaut werden (Fahrerhaus, Motoren, Getriebe).

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Public Domain