Markenlexikon

Rolls-Royce

Ursprungsland: Großbritannien

Frederick Henry Royce (1863 – 1933) und Ernest Clermont gründeten 1884 in Manchester eine Elektrofirma, die Stromgeneratoren, Dynamos, Türklingeln, Elektromotoren, Kräne und elektrische Flaschenzüge herstellte. Automobile waren eher ein Hobby von Royce und erst als das Unternehmen um die Jahrhundertwende genug Geld abwarf, wandte er sich diesem Bereich zu. 1903 baute er sein erstes Fahrzeug. Die außergewöhnlich hohe Qualität der ersten Modelle weckte die Aufmerksamkeit des Autohändlers Charles Stewart Rolls (1877 – 1910), der fortan alle von Royce gebauten Fahrzeuge abnahm und unter dem Namen Rolls-Royce verkaufte. Nachdem sich die Verbindung der beiden Auto-Enthusiasten gut angelassen hatte, gründete man 1906 in Manchester die Firma Rolls-Royce Limited. Im gleichen Jahr erschien der elegante Rolls-Royce 40/50hp Silver Ghost, der auf Anhieb ein Riesenerfolg wurde und bis 1925 in Produktion blieb. Die ganzen Jahre über baute die Firma nur dieses eine Modell, bestehend aus Fahrgestell und Motor – die Aufbauten mussten sich die Käufer – gegebenenfalls nach eigenen Wünschen – von einer Karosseriefirma draufsetzen lassen. Das Fahrgestell des Silver Ghost kam mit entsprechenden Aufbauten während des 1. Weltkriegs auch als Panzerwagen zum Einsatz. 1908 wurde der Firmensitz nach Derby verlegt. 1910 kam Rolls bei einem Flugunfall über Bournemouth mit einem von den Gebrüdern Wright gebauten Flugzeug ums Leben.

Ab 1911 trugen die Fahrzeuge eine geflügelte Frauengestalt als Kühlerfigur, die sich Lord John Walter Edward-Scott-Montagu, der Herausgeber der Zeitschrift The Car, von dem befreundeten Bildhauer Charles Sykes zunächst für seinen privaten Rolls-Royce hatte anfertigen lassen. Vorbild war Montagus Sekretärin und Geliebte Eleanor (Emily) Velasco Thornton gewesen. Als auch andere Rolls-Fahrer eine Kühlerfigur haben wollten, wurde Sykes von Rolls-Royce mit dem Entwurf einer Kühlerfigur beauftragt, die sich nicht sonderlich vom Original unterschied. Anfangs sollte sie »Spirit of Speed« heißen, dann entschied man sich jedoch für »Spirit of Ecstasy«. Die hohe Qualität, die jedes einzelne Teil und jedes Produkt, das den Namen Rolls-Royce trug, auszeichnete, und nicht zuletzt die illustre Kundschaft führten zu einigen köstlichen Anekdoten. Bereits 1907 schwärmte ein Autotester: »Das lauteste Geräusch bei Höchstgeschwindigkeit ist das Ticken des Chronometers.« (bei dem Höllenlärm, den die Motoren damals machten, muss der Tester die Uhr des Big Ben spazieren gefahren haben). Angeblich wird noch heute die Geräuschentwicklung der Fahrzeuge mit einer hochkant auf dem Motor platzierten Münze getestet – kippt sie bei laufendem Motor um, muss der Meister, dessen Name im Motorgehäuse verewigt ist, noch einmal nachbessern.

1914 begann Rolls-Royce mit der Produktion von Flugmotoren, die sich bald, wie auch die Automobile, einen hervorragenden Ruf erwarben. Besonders der Merlin, mit dem die berühmte Vickers Supermarine Spitfire, das erfolgreichste Kampfflugzeug des 2. Weltkriegs, und die Hawker Hurricane ausgestattet waren, gehörte damals zu den besten Triebwerken der Welt. Flugmotoren blieben auch nach dem Krieg das Hauptstandbein des Unternehmens, u.a. für die De Havilland D.H.106 Comet, das erste strahlgetriebene Verkehrsflugzeug der Welt, den taktischen Bomber Avro 698 Vulcan, den Senkrechtstarter Hawker Harrier und das Überschallverkehrsflugzeug Concorde.

Rolls-Royce
Rolls-Royce

Nachfolger des Silver Ghost wurden der Phantom I (1925 – 1931) und der Phantom II (1929 – 1936), das letzte Modell, das der 1930 geadelte Sir Henry Royce selbst entworfen hatte. 1931 erwarb Rolls-Royce den Konkurrenten Bentley aus Cricklewood bei London, der infolge der Weltwirtschaftskrise in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. Mit Ausnahme des R/S Continental (1952 – 1959) unterschieden sich die Bentleys, die nun bei Rolls-Royce in Derby und Crewe entstanden, nur noch unwesentlich von den Rolls-Royce-Modellen. Die meisten Rolls-Royce gab es auch als Bentley, wobei sich lediglich der Kühlergrill, das Markenzeichen und die Ausstattung unterschieden. Erst Mitte der 1980er Jahre bekam die Marke mit dem Modell Bentley Turbo R (1985 – 1997) wieder mehr Eigenständigkeit.

1938 errichtete Rolls-Royce ein neues Motorenwerk in Crewe. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs verlegte man die Automobilproduktion komplett nach Crewe; in Derby wurden fortan nur noch Triebwerke hergestellt. Das erste Nachkriegsmodell war der mit dem Bentley Mark VI weitgehend baugleiche Silver Wraith (1946 – 1959). Die fast heilige Tradition, dem Käufer die Wahl der Karosserie und des Karosseriebauers selbst zu überlassen, endete 1949, als Rolls-Royce für den Silver Dawn (1949 – 1955) erstmals eine Standardkarosserie anbot. Auch der Silver Dawn, der bis 1953 nur für den Export mit Linkslenkung gebaut wurde, war mit dem Bentley Mark VI identisch. Von 1950 bis 1959 fertigte Rolls-Royce 17 Exemplare des Phantom IV, die jedoch nur an Könige, Mitglieder von Königshäusern und Staatsoberhäupter geliefert wurden, u.a. an Königin Elisabeth II. und Prinz Philip, den irakischen König Faisal II., den persischen Schah Reza Pahlevi und den kuwaitischen Emir Abdallah as-Salem as-Sabah. Der Phantom war das Spitzenmodell von Rolls-Royce und wurde meist nur in sehr limitierter Auflage gebaut. Weitere Modelle waren der Phantom V (1959 – 1968) und der Phantom VI (1968 – 1991). Nachfolger des Silver Dawn wurde der Silver Cloud (1955 – 1966), der sich durch eine außergewöhnlich gelungene Karosserieführung auszeichnete.

Die Entwicklung des Großraumjets Lockheed L-1011 TriStar trieb Lockheed und Rolls-Royce, den Hersteller des neuartigen Dreiwellentriebwerks, 1971 in den Konkurs, was eine Verstaatlichung und die Aufteilung in zwei Unternehmen (Automobilbau, Triebwerkbau) zur Folge hatte. 1980 übernahm der Schiffbau- und Wehrtechnikkonzern Vickers Rolls-Royce Motor Cars, der gleichnamige Triebwerkhersteller wurde erst 1987 reprivatisiert.

Zum erfolgreichsten Rolls-Royce entwickelte sich der mit dem Bentley T baugleiche Silver Shadow (1965 – 1976); von ihm wurden über 29.000 Exemplare verkauft, mehr als von jedem anderen Modell der Firma. Die Coupé- und Cabrio-Varianten des Silver Shadow hießen ab 1971 Corniche, die verlängerte Version ab 1977 Silver Wraith II. Nach einem Facelifting wurde er 1977 in Silver Shadow II umgetauft und 1980 durch den Silver Spirit (1980 – 1994) ersetzt. Die Langversion des Silver Spirit hieß Silver Spur (1981 – 1994). Der teuerste Rolls-Royce, den es je gab, der Camargue, kam 1975 auf den Markt. Gestylt vom italienischen Designer Sergio Pininfarina und gebaut von der Londoner Karosserieschmiede Mulliner Park Ward, kostete er 83.122 Pfund und war damit teurer als ein Rolls-Royce Phantom VI. Als Basis diente die Bodengruppe des Silver Shadow. Bis zur Produktionseinstellung 1986 wurden nur 523 Exemplare gebaut. 1995 kam die letzte Modellreihe, die auf dem Silver Spirit basierte, auf den Markt (Silver Dawn, Silver Spirit III, Silver Spur III, Park Ward). Das letzte von Rolls-Royce in Crewe entwickelte Modell war der Silver Seraph (1998 – 2002) sowie das auf dem Seraph basierende Cabrio Corniche und die Langversion Park Ward.

1998 entbrannte zwischen den deutschen Automobilkonzernen Volkswagen und BMW eine Übernahmeschlacht um Rolls-Royce/Bentley, die Volkswagen zunächst für sich entscheiden konnte, nachdem man den Aktionären des Mutterkonzerns Vickers einen deutlich höheren Preis geboten hatte. Danach stellte sich jedoch heraus, dass die Namensrechte von Rolls-Royce nicht bei der Autofirma lagen, sondern bei dem Triebwerkhersteller, der in Deutschland bei der Herstellung von Flugzeugtriebwerken seit 1990 mit BMW zusammenarbeitete. Der vergab die Nutzungsrechte für den Namen Rolls-Royce erwartungsgemäß nicht an VW, sondern an BMW. Schließlich musste Volkswagen die Marke Rolls-Royce 2003 an BMW abgeben. VW behielt Bentley und das Montage-Werk in Crewe (Cheshire). Seit Juni 2002 werden die Rolls-Royce-Modelle unter BMW-Regie in einem neuen Werk in der südenglischen Stadt Goodwood (West Sussex) gebaut. Aktuelles Modell ist der Phantom (2003), dessen Motor und Karosserie von BMW in München und Dingolfing gefertigt werden. Die Endmontage findet in Goodwood statt.

Rolls-Royce Engines
Rolls-Royce Engines

1999 schloss sich der Triebwerkhersteller Rolls-Royce mit dem Vickers-Konzern zur Rolls-Royce Group zusammen. Vickers war innerhalb dieses neuen Konzerns u.a. für Antriebstechnik, Schiffsmotoren, Energie-Erzeugungs-Maschinen und Generatoren zuständig. Ein Jahr später ging auch das deutsche Jointventure Rolls-Royce/BMW vollständig in den Besitz von Rolls-Royce über. 2002 verkaufte Rolls-Royce die Wehrtechnikaktivitäten Vickers Defence Systems (Challenger-Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Minenräumgeräte) an den britischen Militärfahrzeughersteller Alvis. 2004 wurde Alvis-Vickers von BAE Systems (vorm. British Aerospace) übernommen, mit RO Defence (Royal Ordnance) zusammengeschlossen und in BAE Systems Land Systems umbenannt. 2011 erwarb die Rolls-Royce plc. gemeinsam mit der Daimler AG die deutsche Tognum AG (u.a. MTU Friedrichshafen GmbH), einen Hersteller von Antrieben für Schiffe, Schienenfahrzeuge, schwere Landfahrzeuge und Industriemaschinen sowie Energieanlagen auf Basis von Dieselmotoren, Gasmotoren und Gasturbinen. Nachdem sich die Tognum AG Anfang 2014 in Rolls-Royce Power Systems AG umbenannt hatte, verkaufte Daimler seinen Anteil an Rolls-Royce.

Rolls-Royce plc. entwickelt und produziert heute Triebwerke für zivile und militärische Flugzeuge (Airbus, Boeing, Eurofighter-Typhoon), Schiffsmotoren und Gasturbinen für Kraftwerke. Darüber hinaus bietet das Unternehmen einen kompletten Service rund um die Triebwerke an (Überwachung, Wartung, Reparatur, Austausch).

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain