Markenlexikon

Racal

Ursprungsland: Großbritannien

Raymond (Ray) Frederick Brown (1920 – 1991) und George (Jock) Calder Cunningham, zwei ehemalige Angestellte des britischen Elektronikkonzerns Plessey, gründeten 1950 im Londoner Stadtteil Isleworth ihr eigenes Unternehmen, das sie nach den beiden Namenssilben »RA« (für Raymond) und »CAL« (für Calder) Racal Engineering benannten. Obwohl Racal eigentlich ebenfalls als Elektronikfirma wurde, produzierte sie in der Anfangszeit mangels anderer Aufträge Konsumgüter wie Golfschläger und Regale.

1953 bekam Racal dann endlich von der Royal Navy einen größeren Auftrag. Die Firma sollte den amerikanischen Kurzwellenempfänger Collins 51J in Lizenz für die britische Marine bauen, der für Funkfernschreiben (Radiotelex, RTTY) verwendet wurde. Der 51J war der erste Empfänger, der eine zuverlässige RTTY-Kommunikation ermöglichte. Der amerikanische Originalhersteller, die Collins Radio Company, verlangte allerdings, dass die Einzelteile aus den USA stammen mussten und nur noch in Großbritannien zusammengebaut wurden, während Racal in seinem Angebot die Verwendung einheimischer Komponenten angegeben hatte – zur Freude der britischen Regierung. Nachdem sich die Collins-Verantwortlichen jedoch die kleine Racal-Fabrik in Isleworth angeschaut hatten, waren sie wenig begeistert und verweigerten Racal die Lizenzrechte zum Bau ihrer Gerätes. So musste Racal schließlich einen eigenen Funkempfänger entwickeln, der die gleichen Leistungsmerkmale besaß wie der Collins 51J.

An der Entwicklung des Racal RA17 war der südafrikanische Elektroingenieur Trevor Wadley maßgeblich beteiligt. Er hatte während des Zweiten Weltkriegs bereits am Bau britischer Radarsysteme mitgewirkt. Wadley wählte einen technisch anderen Ansatz als Collins. 1948 hatte er zu Testzwecken einen Empfänger mit hervorragender Frequenzstabilität und hoher Ablesegenauigkeit entwickelt, was sonst nur das Gerät von Collins schaffte. Dieser Wadley-Loop-Empfänger, der aus einem festen Oszillator, einem Oszillator mit veränderbarer Frequenz und drei Mischerschaltungen bestand, wurde zum Herzstück des Racal RA17. Allerdings wäre Racal aufgrund der Mehrkosten für die Entwicklung fast in Konkurs gegangen. Der Racal RA17 wurde von 1955 bis 1973 für militärische und zivile Anwendungen produziert (rund 20.000 Exemplare), obwohl der ursprüngliche Auftrag gerade einmal zweihundert Geräte umfasst hatte. 1954 wurde der Racal-Firmensitz nach Bracknell/Berkshire verlegt.

Durch diesen Auftrag stieg das Unternehmen, das 1961 als Racal Electronics an die Londoner Börse ging, zu einem der führenden Zulieferer von Kommunikationstechnik für die britischen Streitkräfte auf. Die Verbindungen waren so eng, dass Ray Brown 1966 ins britische Verteidigungsministerium wechselte, wo er u.a. für den Einkauf und den Waffenexport zuständig war. Seine Abteilung verwendete in dieser Zeit auch das verkaufsfördernde Mittel der Bestechung, was damals allerdings noch Normalität und keineswegs verboten war. Als die britische Regierung diese Art der Verkaufsförderung einschränken wollte, soll Brown sehr frustriert gewesen sein. Trotzdem blieb er bis zum regulären Ende seiner Amtszeit auf diesem Posten. Nachfolger von Brown als Racal-Geschäftsführer wurde Ernest Harrison, der fast von Anfang an bei Racal angestellt gewesen war – ab 1958 gehörte er der Geschäftsführung an, nachdem Browns Partner Jock Cunningham verstorben war.

1969 übernahm Racal die British Communications Corporation, die neben EKCO, Plessey, Mullard Equipment, Murphy Radio und Redifon am Aufbau des taktisches Funksystems Larkspur für die britischen Streitkräfte beteiligt war. Auch am Aufbau der Nachfolgesysteme Clansman (zusammen mit Amplivox, Marconi, Mullard und Plessey), das von 1976 bis 2010 verwendet wurde, und Bowman (zusammen mit Siemens-Plessey) war Racal beteiligt. Mit dem Jointventure Racal-Milgo stieg Racal in das zivile Geschäft mit der Datenkommunikation ein. 1977 übernahm Racal die Milgo Electronic Corporation ganz.

1979 erwarb Racal Electronics den britischen Decca-Konzern, der einerseits in der Musikindustrie tätig war (dieser Bereich wurde 1980 an PolyGram verkauft), andererseits ein weltweit führender Anbieter von Radartechnik. Dadurch kam Racal auf Augenhöhe mit G.E.C. (The General Electric Co. Ltd.), dem größten britischen Elektronikkonzern.

1982 erhielt die Racal-Tochter Racal Strategic Radio als erstes britisches Privatunternehmen eine Mobilfunklizenz. Daraufhin wurde 1984 die Tochtergesellschaft Racal-Vodafone ins Leben gerufen. 1985 nahm Racal-Vodafone das erste britische Mobilfunknetz in Betrieb. 1991 gliederte Racal die Vodafone-Sparte aus dem Konzern aus und platzierte das neue Unternehmen an der Londoner Börse.

In den späten 1980er und 1990er Jahren war Racal Electronics über die Tochtergesellschaft Racal Telecom vor allem am Auf- und Ausbau zahlreicher Telekommunikationsnetze überall auf der Welt beteiligt (u.a. 1989 Government Data Network, 1995 Metropolitan Telephone Service). 1995 erwarb Racal Telecom das Telekommunikationsnetz der britischen Eisenbahngesellschaft British Rail (BR Telecommunications), die zur gleichen Zeit privatisiert wurde. Daneben war der Konzern auch an der Camelot Group beteiligt, die 1994 die Lizenz zum Ausrichten der National Lottery in Großbritannien erhielt. Von 1984 bis 1997 gehörte außerdem die Sicherheitstechnikfirma Chubb (Brandschutz, Tresore, Schlösser) zu Racal Electronics.

1998 gliederte Racal den gesamten Defence-Bereich in das Unternehmen Racal Defence Electronics aus. Racal Telecom wurde 1999 an die US-Firma Global Crossing verkauft. Im Jahr 2000 kam es zum Zusammenschluss von Racal Defence Electronics mit dem französischen Verteidigungskonzern Thomson-CSF, der sich anschließend in Thales umbenannte (nach dem griechischen Philosophen Thales von Milet). Der Name Racal wird heute noch von der Firma Racal Acoustics (vormals Thales Acoustics) verwendet, die der Thales-Konzern 2008 verselbstständigt hatte. Das Unternehmen produziert u.a. Headsets, Feldtelefone und Mikrofone für die militärische Kommunikation.

Text: Toralf Czartowski