Markenlexikon

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Ursprungsland: Deutschland

Die Ursprünge des »Kölnisch Wassers« gehen auf die italienischen Brüder Johann Baptist Farina (1683 – 1732) und Giovanni (Johannis) Maria Farina (1685 – 1766) zurück, die 1709 in Köln mit dem Verkauf von allerlei zunftfreien Luxusartikeln wie Seiden, parfümierten Handschuhen, Seifen und Parfüms begannen. Zu Ehren ihrer neuen Heimatstadt nannte sie ihr Duftwässerchen aus Alkohol, verschiedenen Blütenölen und Kräuterextrakten »Eau de Cologne« (Kölnisch Wasser). Diese Ursprungsfirma gibt es noch heute in Köln (Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz). Da Markenschutz damals noch kein Thema war, gab es bald unzählige Nachahmer, die nicht nur ähnliche Parfüms verkauften, sondern auch gleich noch den Namen Farina verwendeten. Manche behaupteten mit der Farina-Familie entfernt verwandt zu sein, andere ließen sich nebulöse Geschichten einfallen, wie etwa der Kölner Kaufmann Wilhelm Mülhens (1762 – 1841). Er will die Rezeptur für das »Aqua Mirabilis« (lat. Wunderwasser) von dem Kartäusermönch Carlo Francesco Gereon (Carl Franz Georg) Farina (1755 – 1830) zu seiner Hochzeit 1792 geschenkt bekommen haben. Der Ordensbruder war ein Großneffe des Italieners Giovanni Paolo (Johann Paul) Feminis (1666 – 1736), der ein ähnliches Destillat (L' eau Admirable) bereits um 1690 in Mailand hergestellt und als Allheilmittel, u.a. gegen die Pest, verkauft hatte. Mit der Familie der Brüder Farina war er allerdings nicht verwandt, wohl aber bekannt.

Kurz darauf begann Mülhens in seinem Haus in der Kölner Glockengasse dieses Wässerchen herzustellen und unter dem Namen des Mönches zu verkaufen. Wilhelm Mühlhens und seine Nachfolger Peter Joseph Mülhens (Sohn; 1801 – 1873) und Ferdinand Mülhens (Enkel; 1844 – 1928) wurde in den nächsten Jahrzehnten mehrmals wegen Namensmissbrauch verurteilt (1832, 1862, 1878, 1881), doch immer wieder fanden sie einen Italiener, dem sie die Namensrechte abkaufen konnten (der Name Farina kommt in Italien recht häufig vor). Nach einem endgültigen Urteil des Königlichen Oberlandesgerichts zu Cöln musste Ferdinand Mülhens die Firma »Franz Maria Farina in der Glockengasse 4711 der Post gegenüber« 1881 löschen lassen und eine neue gründen. Der Firmenname lautete nun Eau de Cologne & Parfümerie-Fabrik Glockengasse No. 4711 gegenüber der Pferdepost von Ferdinand Mülhens (ab 1990 Muelhens GmbH & Co. KG). Die Ziffer 4711 bezog sich auf die frühere Hausnummer der Glockengasse 12, die von 1794 bis 1811 existierte (Peter Mülhens hatte den Firmensitz schon 1854 in die Glockengasse 26 – 28 verlegt). Seit 1874 betrieb Ferdinand Mülhens eine weitere Seifen- und Parfümeriefabrik in Köln-Ehrenfeld.

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Zu dieser Zeit war 4711 Echt Kölnisch Wasser jedoch noch eher ein Heilmittel, das man mit Wein oder Wasser gemischt gegen Herzklopfen und Kopfschmerzen einnahm. Erst als Napoleon 1810 ein Dekret erließ, das die Preisgabe der Geheimrezepturen für Arzneimittel vorschrieb, wurde Kölnisch Wasser fortan als Duftwasser vermarktet. Mit dem neuen Image konnte die Firma die Offenlegung ihrer Rezeptur verhindern. Bald darauf wurde 4711 Echt Kölnisch Wasser nahezu in die ganze Welt exportiert und teilweise auch dort hergestellt. Zu den Kunden gehörten zahlreiche europäische Königs- und Fürstenhöfe, wo es damals üblich war, Körpergerüche nicht mit Wasser und Seife zu entfernen, sondern mit intensiven Parfums zu überdecken. 1943 wurde das Haus Glockengasse 26 – 28 durch einen Bombenangriff zerstört, 1963/1964 jedoch an einem neuem Standort an der Ecke Schwertnergasse 1/Glockengasse 4 wieder aufgebaut.

Die Firma, die später die modernere Schreibweise Muelhens einführte, brachte im Laufe der Jahre noch eine ganze Reihe weiterer Kosmetikartikel auf den Markt, u.a. 1875 die sogenannten »Rasir-Hilfen«. 1935 wurde daraus die Marke Sir International. Das klang schon viel besser und irgendwie weckte dieser Name auch Assoziationen zum gleichnamigen britischen Titel. Um noch ein bisschen mehr Frische ins Spiel zu bringen, erfand man 1969 den Zusatz Irisch Moos. Eine weitere Variante war 1971 Sir Canada Cedar. Weil damals »Abenteuer – Frische – Männerfreiheit« – so der Werbeslogan – voll im Trend lagen, wurde die Marke für viele Jahre zur Nummer 1 auf dem deutschen Herrenduftmarkt (man erinnere sich an den verwegenen Typen aus der TV-Werbung, der mit seinem Schäferhund durch die Wildnis pirscht). Berühmtheit erlangte ab 1921 auch der Damenduft Tosca, mit dem die Kölner dem Klassiker Chanel Nr. 5 eine Weile erfolgreich Konkurrenz machten. In den 1970er Jahren, als eine ganze Reihe neuer Parfum-Deos auf den Markt kamen, konnte sich Muelhens nicht mehr nur auf seine ergrauten Marken verlassen, die hauptsächlich von älteren Damen benutzt wurden. Um diesem Trend entgegenzuwirken brachte die Firma neue Duft-Kreationen wie Janine D. (1976), My Melodie Dreams (1979), Extase Musk Man (1985), Carrera (1988), Gabriela Sabatini (1989), Priscilla Presley Moments (1990), Sumatra Rain (1993), Galileo de Viento (1995), Viva Di Tosca (1997), Puma Woman (2001) oder Puma Man (2002) auf den Markt, die vor allem jüngere Konsumenten ansprechen sollten.

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1994 verkauften die Muelhens-Erben Ferdinand (Ferdi) Mülhens und Dieter Streve-Mülhens die Firma Muelhens mit den Standorten Köln-Ehrenfeld (Zentrale), Glockengasse (Parfümerie) und Köln-Bickendorf (Logistik: seit 1973; Produktion: seit 1993) an die Wella AG, die 1997 alle Kosmetikaktivitäten von Wella (Gucci-Parfums, Rochas) und Muelhens in der Cosmopolitan Cosmetics GmbH zusammenfasste. Infolge der Übernahme der Wella AG durch den US-Konzern Procter & Gamble im Jahr 2003 wurden die hochpreisigen Cosmopolitan- und P&G-Marken (Escada, Dunhill, Gucci, Hugo Boss, Lacoste, Jean Patou, Valentino) 2005 in den P&G-Beauty-Unternehmensbereich P&G Prestige Products integriert. Ende 2006 verkaufte P&G die Marken 4711 Echt Kölnisch Wasser, Tosca, Sir Irisch Moos und Extase an Mäurer & Wirtz (Tabac Original, Nonchalance). In der Kölner Glockengasse gibt es noch immer eine Parfümerie, die vor allem von Touristen aus aller Welt besucht wird.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain