Markenlexikon

Neoplan

Ursprungsland: Deutschland

Der Stellmacher und Karosseriebauer Gottlob Auwärter (1903 – 1993) arbeitete zunächst in der Stellmacherei seines gleichnamigen Vaters, wo er auch seine erste Lehre absolviert hatte. Von 1922 bis 1925 erlernte er in einem Karosseriewerk in Stuttgart den Beruf des Karosseriebauers. 1925 kehrte er in den Betrieb seines Vaters zurück. 1927 legte er die Meisterprüfung ab. Nach einem Streit mit seinen Brüdern machte er sich 1935 in einer alten Ziegelei in Stuttgart-Möhringen selbstständig. Das Unternehmen, das als Gottlob Auwärter jr. firmierte, produzierte zunächst mit sechs Gesellen und einem Lehrling Holzkarosserien für Lastwagen und Busse, die auf Fahrgestelle verschiedener deutscher Hersteller montiert wurden (u.a. Büssing, Henschel, Krupp, Mercedes-Benz).

Ab den späten 1940er Jahren spezialisierte sich Gottlob Auwärter jr. auf die Herstellung von Buskarosserien, die nun aber nicht mehr aus Holz, sondern aus mit Leichtmetall beplankten Stahlgerippen bestand. Die Fahrgestelle stammten weiterhin von etablierten Nutzfahrzeugherstellern wie Hanomag, Henschel, Krupp, Magirus-Deutz, MAN und Mercedes-Benz.

Ab 1953 trat das Unternehmen unter dem Markennamen Neoplan (NEuzeitliche Omnibus-PLANung) auf und ging wie alle Bushersteller in dieser Zeit dazu über, Komplettbusse mit selbsttragenen Karosserien zu entwickeln, wodurch sich das Leergewicht deutlich reduzierte. Fahrwerk und Karosserie bilden bei dieser Konstruktionsart eine Einheit, die sich selbst trägt. Für zusätzliche Stabilität sorgt die auf das Stahlgerippe aufgeschweißte Seitenbeplankung. Die Motoren, die nun im Heck untergebracht waren, stammten vor allem von Henschel und Deutz, später auch von MAN und Daimler-Benz.

Aufgrund des wachsenden Flugverkehrs produzierte Neoplan ab 1960 spezielle Flughafenbusse, die Passagiere vom Terminal zum Flugzeug beförderten. Derartige Fahrzeuge, die bereits die spätere Niederflurbauweise vorwegnahmen, hatte es vorher nicht gegeben und in diesem selbstgeschaffenen Geschäftsfeld war das Unternehmen jahrzehntelang der unangefochtene Marktführer.

Der 1961 vorgestellte Neoplan NH 6/7 L (Typ Hamburg), der von Gottlob Auwärters ältestem Sohn Albrecht und seinem Studienkollegen Bob Lee als Diplomarbeit an der Universität Hamburg konstruiert worden war, entwickelte sich zum ersten modernen Reisebus des Unternehmens. Hier kamen bereits Designmerkmale zum Einsatz, die für spätere Modelle typisch wurden, z.B. die in die Dachrundung hineingewölbten großen Fenster mit schrägen Fensterholmen. Ab den 1960er Jahren entwickelte Neoplan auch Doppelstockbusse für den Linienverkehr (Do-Bus), für Rundfahrten (Do-Lux) und für den Reiseverkehr (Skyliner). Konstrukteur dieser Modelle war Konrad Auwärter, der zweite Sohn des Gründers.

Zu einem der langlebigsten Neoplan-Modelle entwickelte sich der 1971 eingeführte Reisebus Cityliner, der eine ganz neue Bauform begründete. Bei den sogenannten Hochdeckern liegt der Fahrgastraum höher, wodurch die Fahrgäste eine bessere Aussicht haben und die untenliegenden Stauräume (inkl. Toilette und Küche) eine höhere Kapazität. Dieses neue Konzept setzte sich bald bei allen Busherstellern durch und ist heute bei Reisebussen die häufigste Bauform. Der Cityliner ist in modernisierter Form bis heute das Reisebus-Volumenmodell von Neoplan.

Da das Werk in Stuttgart an seine Kapazitätsgrenzen stieg, erwarb Neoplan eine früheres Traktorenwerk im niederbayerischen Pilsting, das 1973 die Produktion aufnahm. Weitere Produktionsstätten entstanden in Kumasi/Ghana (1974), Berlin-Spandau (1980), Lamar/Colorado (USA; 1981), Honey Brook/Pennsylvania (USA; 1985), Ehrenhain/Thüringen (1990) und Plauen/Vogtland (1991). Aus den USA zog sich Neoplan jedoch 2006 wieder zurück, da die staatlichen Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr seit den 1990er Jahren deutlich verringert wurden, was zu rückläufigen Verkaufszahlen führte.

Neoplan
Neoplan

1976 brachte Neoplan den ersten modernen Niederflurbus auf den Markt, dem jedoch kein Erfolg beschieden war. Die Produktion wurde schon nach wenigen Exemplaren wieder eingestellt, da noch kein Bedarf nach solchen Bussen bestand. Erst in den 1980er Jahren wurde die Entwicklung dieser durch die komplizierte Antriebskonstruktion teureren Bauart durch Kässbohrer Setra, Neoplan, Daimler-Benz und MAN wieder aufgenommen. Neoplan brachte 1987 einen Niederflurgelenkbus auf den Markt, der bei den Stadtwerken München zum Einsatz kam. Inzwischen ist die Niederflurbauform bei Stadtbussen im Linienverkehr Standard. Bei Reisebussen hat sich dieses Konzept aufgrund der benötigten Ladefläche zwischen den Achsen und der gewünschten hohen Sitzposition der Fahrgäste jedoch nicht durchgesetzt.

In den 1980er Jahren fertigte Neoplan auch Standardlinienbusse der 2. Generation für den Stadt- und Überlandlinienverkehr. Der Stadandardbus SL II war ab Mitte der 1970er Jahre von den Fahrzeugwerkstätten Falkenried (FFG) nach einem Lastenheft des Verbands öffentlicher Verkehrsbetriebe (VÖV) entwickelt worden. Der SL II wurde auch von zahlreichen anderen Busherstellern gefertigt. Bei den Stadtlinienbussen war Neoplan allerdings nie so stark wie die Konkurrenten MAN und Mercedes-Benz. Die Domäne von Neoplan blieben die Reise- und Überlandbusse. Daneben produzierte das Unternehmen auch Midibusse, die hauptsächlich für die Behindertenbeförderung eingesetzt wurden.

Aufgrund niederiger Gewinne bei gleichzeitig hohen Ausgaben für Forschung und Entwicklung (z.B. für alternative Antriebe) geriet Neoplan in den 1990er Jahren immer mehr in finanzielle Schwierigkeiten. Die Rücklagen aus besseren Zeiten schmolzen zusehends dahin. Schließlich legten die Banken der Auwärter-Familie nahe, sich einen finanzstarken Käufer für das Unternehmen zu suchen. Der fand sich dann auch bald in Form des MAN-Konzerns. 2000/2001 kam es dann schließlich zur Übernahme. Anschließend wurde die Gottlob Auwärter GmbH & Co. KG in Neoplan Bus GmbH umbenannt und gemeinsam mit der MAN Bus GmbH in die Neoman GmbH integriert, die wiederum der MAN Nutzfahrzeug AG unterstellt war.

Bald darauf begann MAN mit der Umstrukturierung der Produktion. Die Busproduktion in Stuttgart wurde 2005 beendet, das Werk 2007 geschlossen und später abgerissen. Firmensitz und Produktion verlegte man 2006 erst nach Pilsting, dann 2008 nach Plauen/Vogtland. Das Werk in Ehrenhein ging 2003/2006 an den langjährigen MAN-Partner Göpel Bus GmbH, der 2013 in Insolvenz ging. 2008 wurde die Neoman GmbH aufgelöst und ganz in die MAN Nutzfahrzeug AG integriert. Das Werk Pilsting verkaufte MAN 2009 an die von ehemaligen Neoplan- und MAN-Managern gegründete Viseon Bus GmbH, die die Fertigung von Flughafenbussen sowie Reise- und Linienbussen (Doppeldecker, Oberleitungsbusse) bis zur Insolvenz 2013 fortführte. Auch der Neoplan Skyliner wurde dort im Auftrag von MAN noch eine Zeit lang gefertigt. Den Standort Plauen übernahm 2021 an die Binz Ambulance- und Umwelttechnik GmbH aus Ilmenau, ein Hersteller von Sonderfahrzeugen (Bestattungsfahrzeuge, Spezialfahrzeuge für Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste).

Heute werden die drei Neoplan-Modellreihen Cityliner (Langstrecken-Reisebusse), Skyliner (Luxus-Reisebus-Doppeldecker) und Tourliner (Reisebusse) im 1985 in Betrieb genommenen früheren MAN-Lkw-Werk in Ankara/Türkei gefertigt.

2012 wurde MAN AG von der Volkswagen AG übernommen. VW integrierte daraufhin das gesamte Nutzfahrzeuggeschäft der MAN Truck & Bus SE (inkl. Neoplan), Scania (VW und MAN besaßen zusammen eine Mehrheit an Scania) und VW anschließend in die Truck & Bus GmbH Wolfsburg (ab 2015 Volkswagen Truck & Bus GmbH Braunschweig; seit 2018 Traton SE München). Im Juni 2019 brachte der Volkswagen-Konzern 11,5 des Kapitals der Traton SE an die Börse.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Public Domain

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