Markenlexikon

MTV

Ursprungsland: USA

Meistens kommen neue Trends aus Amerika. In diesem Falle war es einmal umgekehrt, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht. Kurzfilme von Popstars gab es in Europa schon zu einer Zeit, als in den USA noch alles live gesendet wurde. Bereits die Beatles schickten Aufnahmen ihrer vorproduzierten Auftritte an die Sender, wenn sie keine Zeit hatten, zur Sendung zu erscheinen. 1966 stellten sie die Live-Auftritte ganz ein und bewarben ihre Songs und Platten nur noch per Film. Bald folgten die Byrds, die Beach Boys, Bob Dylan, Pink Floyd und Queen. Aus diesen damals noch recht preiswerten Kurzfilmen ein Konzept für einen eigenständigen Sender zu machen, blieb aber den Amerikanern vorbehalten.

Am 1. August 1981 ging MTV (Music Television) auf Sendung, ein Kabelsender, der rund um die Uhr Musikvideos und Werbung ausstrahlte. Betreiber war ein Jointventure zwischen dem Unterhaltungskonzern Warner Communications (Warner Bros.) und dem Kreditkartenbetreiber American Express. Mit der 1979 gegründeten Warner-Amex Satellite Entertainment Company (WASEC) verfolgten die ansonsten so unterschiedlichen Partner ein gemeinsames Ziel: Warner wollte seine Film- und Musikprodukte über das Kabelnetz verbreiten, American Express benötigte die Leitungen für Bankbuchungen. Zunächst gingen 1979 der Spielfilmsender Star Channel (wurde kurz darauf in The Movie Channel umbenannt) und der Kindersender Pinwheel (ab 1981 Nickelodeon) auf Sendung.

Die eigentliche Idee zu MTV hatte der frühere Monkees-Sänger Michael Nesmith (1942 – 2021), der sein Konzept und eine selbst produzierte Testsendung John Lack, einem der WASEC-Chefs, präsentierte. Vorbild für Nesmith war eine australische Chartshow, die anstatt von Live-Auftritten nur Musikvideos der Interpreten und Bands sendete. Nesmith produzierte dann für den WASEC-Kinderkanal Nickelodeon eine ähnliche Chartshow (Pop Clips). Da die Show gut lief, entstand daraus die Idee für einen eigenen Sender.

Angekündigt wurde der MTV-Sendestart mit einem symbolträchtigen Werbespot: Zu den Klängen des Buggles-Songs »Video Killed The Radio Star« hisste Astronaut Neil Armstrong eine MTV-Flagge auf dem Mond. Ganz so schnell wie gedacht ließ sich der Radio-Star jedoch nicht unterkriegen und bis die Video-Clips die Oberhand gewannen, floss noch viel Geld den Bach hinab. Als die Verluste zu groß wurden, stieg 1984 zuerst American Express wieder aus, und 1985, kurz nachdem mit VH-1 (Video Hits One) ein zweiter Musiksender für die etwas älteren Musikenthusiasten auf Sendung gegangen war, hatte auch Warner genug. Das MTV-Network (MTV, The Movie Channel, Nickelodeon, VH-1) wurde daraufhin von Viacom (Video and Audio Communications), dem früheren Kabel-TV-Bereich von CBS, übernommen.

Doch auch Viacom schien sich wie seine Vorgänger an MTV überhoben zu haben. 1987 war das chronisch erfolglose Unternehmen, das neben den MTV-Sendern noch den Pay-TV-Sender Showtime betrieb, verkaufsreif. Im gleichen Jahr ging auch die in London produzierte europäische Variante von MTV auf Sendung – diesmal wurde zum Sendestart am 1. August 1987 das Video des Dire-Straits-Songs »Money For Nothing« gezeigt. Schließlich griff Sumner Murray Redstone (1923 – 2020), ein Rechtsanwalt und Drive-Inn-Kinobetreiber aus Boston, zu und erwarb die Mehrheit von Viacom.

Bald darauf begann sich das Konzept von MTV allmählich durchzusetzen. Die Musikindustrie begriff den Sender nun als sehr brauchbares Marketinginstrument. Mit einem Videoeinsatz auf MTV ließen sich die Plattenverkäufe enorm steigern und so rissen sich die Musikfirmen bald um einen günstigen Sendeplatz für ihre Schützlinge. Fast nebenbei entstand dadurch auch eine vollkommen neue Kunstrichtung, denn die Videos wurden immer kreativer, aber auch aufwendiger und teurer. Waren es anfangs meist nur Zusammenschnitte von Konzerten gewesen, engagierten die Stars und Plattenfirmen bald eigene Regisseure, die die Videoclips extra für den Einsatz auf MTV drehten. Bekannte Beispiele aus dieser Zeit sind etwa »Thriller« (Michael Jackson), »Sledgehammer« (Peter Gabriel), »Take On Me« (a-ha), »Money For Nothing« (Dire Straits) oder »Wild Boys« (Duran Duran).

1996 etablierte MTV ein zweites Programm, das anfangs M2 hieß, 1999 aber in MTV 2 umgetauft wurde. In den 1990er Jahren dehnte MTV das Sendegebiet nahezu auf die ganze Welt aus. Von 1995 bis 1997 war der Empfang von MTV in Deutschland kostenpflichtig, was die Marktanteile des Senders zugunsten des deutschen Konkurrenten Viva einbrechen ließ. 1999 ging erstmals ein komplett deutsches Programm von MTV auf Sendung. Zu dieser Zeit bestand das Programm nicht mehr nur aus Videoclips, sondern zunehmend auch aus Cartoons (»Beavis and Butt-Head«, »Daria«), Comedy-Sendungen (»The Tom Green Show«, »Buzzkill«, »Jackass«, »The Zig & Zag Show«), Live Shows (»MTV Most Wanted«, MTV Unplugged«), Reality-Shows (»The Real World«, »MTV The Trip«) und natürlich Werbung. 2004 erwarb MTV den deutschen Musiksender Viva, der das MTV-Konzept seit 1993 in Deutschland erfolgreich kopiert hatte. Hinter Viva standen anfangs mehrere deutschen Plattenfirmen (EMI, PolyGram, Sony Music, WEA). 2011 wurde MTV in Deutschland und Österreich erneut auf Pay-TV umgestellt.

Durch die Übernahme der Filmgesellschaft Paramount Communications (1993), der Videotheken-Kette Blockbuster Entertainment (1994), der Spelling Entertainment Group (1994/2000) und der früheren Muttergesellschaft CBS (1999) stieg Viacom zu einem der weltgrößten Medienkonzerne auf. 2005 teilte sich Viacom in die beiden Unternehmen Viacom (u.a. MTV-Network, Paramount Pictures) und CBS (u.a. CBS, CBS Paramount Television, Showtime, Simon & Schuster, UPN United Paramount Network) auf. Sumner Redstone kontrollierte über seine Kinokette National Amusement (Cinema de Lux, KinoStar, Showcase Cinemas, Multiplex Cinemas) beide Unternehmen. 2019 schlossen sich Viacom und CBS erneut zusammen (ViacomCBS). 2022 benannte sich ViacomCBS nach seiner weltweit bekanntesten Marke in Paramount Global um.

Mit dem Aufkommen von Online-Videoplattformen wie YouTube verlor MTV stark an Bedeutung; lediglich durch die Preisverleihungen MTV Video Music Awards (seit 1984), MTV Movie Awards (seit 1991) und MTV Europe Music Awards (seit 1994) hat der Sender noch einen gewissen Einfluss auf die internationale Popkultur. Das über Kabel, Satellit und IPTV verbreitete MTV-Programm besteht in vielen Ländern inzwischen nur noch zum kleinen Teil aus Musikvideos, in den USA und Großbritannien wurden sie ganz aus dem Programm gestrichen. Dafür werden nun Cartoons, Reality-Shows und TV-Serien gezeigt. Der Schriftzug »Music Television« im MTV-Logo war schon 2010 (USA) und 2011 (weltweit) entfernt worden.

Text: Toralf Czartowski