Markenlexikon

MCA

Ursprungsland: USA

Die 1924 von Jules Caesar Stein (1896 – 1981) und William Raymond Goodheart Jr. (1902 – 1960) in Chicago gegründete Music Corporation of America (MCA) war zunächst eine Künstleragentur, die Musiker an die Nachtclubs der Stadt vermittelte. Wie jeder, der in der Zeit der Prohibition (1920 – 1933) Geschäfte mit den Nachtclubs machte, war MCA von Anfang an eng mit der Chicagoer Mafia verbandelt. Bald darauf eröffnete MCA auch Niederlassungen in New York, Cleveland, Dallas und Los Angeles. Die größten Stars, die das Unternehmen unter Vertrag hatte, waren Benny Goodman und Tommy Dorsey. Daneben vermittelte MCA seine Musiker auch für Shows an Hotels und Radiosender. 1939 verlegte MCA seinen Hauptsitz nach Beverly Hills/California und nahm Filmstars wie Bette Davis, Betty Grable, Frank Sinatra, Fred Astaire, Gregory Peck, Greta Garbo, Henry Fonda, Ingrid Bergman, Jimmy Stewart, Joan Crawford oder Ronald Reagan unter Vertrag. Ab den 1940er Jahren war The Octupus, wie MCA auch genannt wurde, die größte Talentagentur der Welt, die hunderte Musiker, Filmstars, Broadway-Schauspieler, Radiostars und Regisseure unter Vertrag hatte.

1950 stieg MCA mit der Tochtergesellschaft Revue Productions, die bereits 1843 zur Promotion von Live-Konzerten gegründet worden war, in die Produktion von kompletten Programmen für Radio- und TV-Sender ein. 1958 erwarb MCA die Fernsehaustrahlungsrechte aller Paramount-Tonfilme bis 1948 und das Universal-City-Studio-Gelände in Hollywood (Universal Pictures mietete das Studio für seine Produktionen fortan von MCA an). Ebenfalls 1958 ging das Unternehmen an die New Yorker Börse (MCA Inc.). Die größten MCA-Aktionäre waren damals Jules Stein mit 49 Prozent und Lew Wassermann (seit 1948 MCA-Chef) mit 20 Prozent. In den 1960er Jahren steig der Regisseur Alfred Hitchcock zum drittgrößte MCA-Aktionär auf, nachdem er die Rechte an seinem Film »Psycho« an MCA verkauft hatte und dafür mit Aktien des Konzerns bezahlt wurde. 1962 übernahm MCA die Filmgesellschaft Universal International/Universal Pictures, der das Universal-Studio einst gehört hatte. Gleichzeitig trennte sich MCA von seinem Agenturgeschäft.

Universal International war seit 1952 im Besitz der Plattenfirma Decca Records Inc. New York (Coral, Brunswick, Decca), einer früheren Tochtergesellschaft der britischen Decca Record Company (London). Decca New York hatte u.a. Duke Ellington, Bing Crosby, Benny Goodman, Bill Haley & His Comets, Buddy Holly und Jackie Wilson unter Vertrag.

Die Verbindung von Künstleragentur und Programmproduzent war eigentlich schon länger wegen der teilweise gegenläufigen Interessen untersagt gewesen. Ronald Reagan, der damalige Präsident der Schauspielergewerkschaft Screen Actors Guild (SAG), drückte jedoch jahrelang beide Augen zu, da er seine Position vor allem durch die Unterstützung des langjährigen MCA-Chefs Lewis Robert Wasserman (von 1948 bis 1995) bekommen hatte. Im Gegenzug wurde er von MCA mit gut bezahlten TV-Jobs (Werbeauftritte, Moderator) versorgt. Erst als Ronald Reagen 1962 wegen Korruption angeklagt worden war, musste sich MCA endgültig von seinem Agenturgeschäft trennen. Bis in die 1970er Jahre hinein gab es auch immer wieder Ermittlungen und Gerichtsverfahren wegen Verbindungen zwischen MCA und der amerikanischen Mafia (Cosa Nostra) oder ihr nahestehenden Personen. Diese Verfahren wurden erst eingestellt, als Ronald Reagen 1980 US-Präsident wurde. Für die These, dass der Aufstieg Ronald Reagans erst zum SAG-Präsidenten (1947 – 1952, 1959 – 1960), dann zum kalifonischen Gouverneur (1967 – 1975) und schließlich zum US-Präsidenten (1981 – 1989) von der Mafia finanziert und gesteuert wurde, wie es der Journalist Dan Moldea in seinem 1986 erschienenen Buch Dark Victory: »Ronald Reagan, MCA, and the Mob« behauptete, gibt es allerdings keine Beweise.

MCA-Chef Lew Wasserman (1913 – 2002) schloss die beiden Sparten Filmproduktion/Verleih (Universal Pictures) und Fernsehproduktion (Revue Productions) 1964 in der Universal City Studios Inc. zusammen. Aus Revue Productions wurde daraufhin Universal Television. Wasserman führte 1966 auch die Studio-Touren in den Universal Studios ein und begann damit, Filme speziell für das Fernsehen zu produzieren. Durch die Übernahme der beiden Musikverlage Leeds Music und Duchess Music entstand 1964 der Musikverlag MCA Music Publishing (ab 1999 Universal Music Publishing). Darüber hinaus besaß MCA auch eine Reihe von Dienstleistungsunternehmen (Bestattungsunternehmen, Friedhöfe).

MCA
MCA

1966 etablierte MCA die neue Plattenfirma MCA Records, unter deren Dach die Labels Coral, Brunswick, Decca, Kapp (ab 1967), Uni (ab 1966) und Vocalion zusammengefasst waren. 1968 rief MCA eine Niederlassung in London ins Leben (MCA Records Ltd.). 1973 wurden alle Musiklabels zugunsten von MCA Records eingestellt (erst 1994 reaktivierte MCA Decca als Country-Label). Später erwarb MCA noch weitere Plattenfirmen: 1979 ABC Records (die Musikabteilung der TV-Gesellschaft ABC inkl. der Labels Dot Records, Dunhill Records, Impulse Records, Paramount Records und Westminster Records), 1985 Chess Records, 1988 Motown (wurde 1991 an Bosten Ventures verkauft; ab 1993 gehörte Motown zu PolyGram) sowie 1990 GRP Records und Geffen Records. 1989 entstand die Dachgesellschaft MCA Music Entertainment Group (Geffen Records, GRP Records, MCA Music Publishing, MCA Records).

MCA Records hatte in den 1970er und 1980er Jahren Musiker und Bands wie Alice Cooper, Boston, Cher, Elton John, Kansas, Kim Carnes, Kim Wilde, Lynyrd Skynyrd, Neil Diamond, Olivia Newton-John, Nik Kershaw, Osibisa, Patti LaBelle, Pebbles, Sheena Easton, The Damned, The Who, Tiffany, Tom Petty and the Heartbreakers, Tony Christie, Tygers of Pan Tang und Wishbone Ash unter Vertrag. Außerdem wurden auf dem Label zahlreiche Soundtracks aus den Universal-Filmen und TV-Serien veröffentlicht.

1991 wurde die MCA-Muttergesellschaft MCA Inc. vom japanischen Elektronikkonzern Matsushita Electric (Panasonic, Technics) übernommen, der sich jedoch mit der Funktionsweise des amerikanischen Entertainmentgeschäfts nie richtig anfreunden konnte und dementsprechende Verluste produzierte. 1995 verkaufte Matsushita 80 Prozent der MCA-Anteile an den kanadischen Spirituosenkonzern Seagram (Captain Morgan, Chivas Regal, Martell, Mumm, Perrier-Jouët, Sandeman, Seagram's).

1996 benannte sich die MCA Inc. in Universal Studio Inc. um und die MCA Music Entertainment Group (Decca Nashville, Geffen Records, GRP Records, MCA Records) in Universal Music Group. Dies geschah vor allem deswegen, weil der Name Universal durch die Universal-Spielfilme und die Studio-Touren in Hollywood und Orlando weltweit einen höheren Bekanntheitsgrad hatte als MCA.

1998 erwarb Seagram von Philips die PolyGram-Gruppe (A&M, Barclay, Casablanca, Decca London, Deutsche Grammophon, Def Jam, Fontana, Interscope, Island, Mercury, Metronome, Motown, Philips Classics, Phonogram, Pickwick, Polar, Polydor/PolyStar, RSO, Vanguard, Vertigo, Verve).

Im Jahr 2000 übernahm der französische Mischkonzern Vivendi (TV-Sender, Personennahverkehr, Telekommunikation, Wasserversorgung), die frühere Compagnie Générale des Eaux (CGE), Seagram und damit auch Universal Music und die Universal Studios. Das neue Unternehmen firmierte zunächst als Vivendi-Universal und ab 2006 wieder als Vivendi. Um den Deal zu finanzieren, mussten jedoch die profitablen Spirituosenmarken verkauft werden (an Diageo, Pernod-Ricard und Allied-Domecq).

Mit der Übernahme des Musikverlags Rondor Music (2000), der zuvor den A&M-Gründern Herb Alpert und Jerry Moss gehört hatte, und dem Bertelsmann-Musikverlag BMG Music Publishing (2006) wurde Universal Music Publishing zum größten Musikverlag der Welt und überholte damit den damaligen Marktführer EMI Music.

Das Label MCA Records wurde 2003 aufgegeben. Die einzelnen Genre-Kataloge übernahmen andere Universal-Musik-Labels wie Verve (Jazz), Geffen (Pop/Rock), Deutsche Grammophon (Klassik) und Decca (Musical). Lediglich der Country-Katalog wird weiterhin unter dem Label MCA Nashville vermarktet.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Public Domain