Markenlexikon

Land Rover / Range Rover

Ursprungsland: Großbritannien

James Kemp Starley (1830 – 1881) und sein Neffe John Kemp Starley (1854 – 1901) betrieben mit unterschiedlichen Partnern in den 1860er und 1870er Jahren mehrere Firmen in Coventry, die Nähmaschinen sowie Lauf-, Hoch- und Dreiräder produzierten. Die 1878 von John Starley und William Sutton gegründete Starley & Sutton Company verwendete für die Fahrräder ab 1883 den Markennamen Rover (engl. Wanderer, Vagabund, Freibeuter, Seeräuber). 1885, als John Starley Alleineigentümer geworden war, brachte die Firma, die sich nun J. K. Starley & Co. nannte, das »Rover Safety Bicycle« auf den Markt, das erstmals vorne und hinten gleich große Räder hatte. Dieses revolutionäre Fahrrad verdrängte die Hochräder bald vom Markt. 1896 wurde die alte Firma aufgelöst und das Geschäft von der neuen Rover Cycle Company (ab 1906 Rover Company Limited) weitergeführt.

1901 nahm Rover die Produktion von Motorrädern auf. Das erste Auto, der Rover Eight, kam 1904 auf den Markt. Die Fahrradproduktion wurde 1924 eingestellt. Rover stand jahrzehntelang für konservative und solide Automobile, die vor allem die britische Mittelklasse ansprachen. Mitunter wurden sie auch als »Rolls Royce für den Mittelstand« bezeichnet (vor allem das von 1958 bis 1973 hergestellte Mittelklassemodell P5). Selbst die britischen Premierminister Harold Wilson, Edward Heath und James Callaghan ließen sich in Rover-Limousinen in die Downing Street Nr. 10 chauffieren. Auch Königin Elizabeth II. fuhr einen Rover P5.

Rover
Rover

Um in den ersten Nachkriegsjahren freie Kapazitäten in den Werken Coventry und Solihull/Birmingham auszulasten, brachte Rover 1948 in Anlehnung an den amerikanischen Jeep den Land-Rover heraus, der mit seinen Verkaufszahlen sämtliche Erwartungen übertraf. Dieser robuste Minimal-Geländewagen, der nahezu in die ganze Welt verkauft wurde, sicherte der Firma auch in mageren Zeiten das Überleben. Der Landy, wie ihn seine Besitzer liebevoll nennen, wurde jahrzehntelang fast unverändert produziert, mit verschiedenen Radständen und Aufbauvarianten zwar, aber in einer derart massiven und unverwüstlichen Pferdekutschen-Bauweise, dass die meisten aller Land-Rover jahrzehntelang brav ihren Dienst taten, egal wie unwegsam ihr Einsatzgebiet auch gewesen sein mag.

Entwickelt wurde der Land-Rover von dem damaligen Rover-Designer Maurice Wilks, dessen Bruder Spencer Wilks zu dieser Zeit Chef von Rover war. Beide verwendeten auf ihrer privaten Farm einen ausgemusterten Jeep der US Army. Als bevorzugtes Einsatzgebiet hatte man die Landwirtschaft im Visier. Auch in diesem Punkt war der Jeep, der nach dem Ende des 2. Weltkrieges vor allem von Farmern genutzt wurde, Vorbild. 1962 brachte Rover einen 1,5 Tonnen Lastwagen für zivile und militärische Zwecke auf den Markt, der ebenfalls als Land-Rover vermarktet wurde. Von 1965 bis 1985 produzierte Rover den Military Land-Rover (heute auch als Land-Rover Lightweight bekannt), der bei zahlreichen Armeen der Welt zum Einsatz kam.

1965 erwarb Rover den Nutzfahrzeughersteller Alvis, einen Hersteller von Spezialfahrzeugen für die britische Armee, wurde aber 1967 selbst von der Leyland Motor Corporation übernommen. Leyland, 1896 von James Sumner sowie den Brüdern George und Henry Spurrier in dem kleinen Ort Leyland (Lancashire), nördlich von Liverpool, gegründet, gehörte damals zu den weltgrößten Lastwagen- und Omnibus-Herstellern. 1968 schloss sich Leyland mit der British Motor Holdings (Austin, Jaguar, Mini, MG, Morris, Riley, Vanden Plas, Wolseley) zur British Leyland Motor Corporation zusammen.

1970 brachte Rover den komfortableren Range Rover auf den Markt, der vor allem die Vertreter des britischen Landadels ansprach, denen man für ihre gelegentlichen Jagdausflüge unmöglich einen Land-Rover anbieten konnte. Der Range Rover wurde ebenso wie der Land-Rover zu einem zeitlosen Klassiker und letztlich auch Vorbild für viele Geländewagen anderer Hersteller.

Land Rover
Land Rover

Die Ölkrise Anfang der 1970er Jahre, langwierige Streiks, gravierende Qualitätsmängel und Markenverwässerung im Pkw-Bereich setzten dem British-Leyland-Konzern jedoch schwer zu. Ende 1974 war British Leyland pleite und musste im Jahr darauf verstaatlicht werden (British Leyland Limited, ab 1978 BL Limited). 1976 kam als Nachfolger des P6 (1963 – 1977), der außergewöhnlich schnittige Rover SD1 (1976 – 1986) heraus, dessen Verkaufszahlen aber aufgrund seiner vielen Qualitätsmängel weit hinter den Erwartungen zurückblieben. Gleichzeit war der SD1 für lange Zeit die letzte vollständige Eigenentwicklung von Rover. Der Austin Sherpa, ein Transporter der 1975 auf den Markt gekommen war, erhielt 1976 den Namen Freight-Rover. 1978 wurde Land-Rover eine eigenständige Tochtergesellschaft innerhalb des British-Leyland-Konzerns.

1979, als die konservative Thatcher-Regierung an die Macht kam, machte man sich in staatlichen Kreisen zunehmend Gedanken über eine Privatisierung des maroden Konzerns. 1982 wurde BL in drei Bereiche aufgeteilt: Austin-Rover Group Limited (Austin, Land-Rover, MG, Mini), Jaguar Cars Limited und Leyland Vehicles Limited (Nutzfahrzeuge, Busse). Jaguar schied 1984 aus dem Konzern aus (Platzierung an der Börse), Leyland Vehicles wurde 1987 von DAF Trucks übernommen und die Busproduktion ging 1988 an Volvo. Ashok-Leyland aus Chennai (Madras), einer der größten indischen Lastwagenhersteller, der seit 1955 teilweise zu Leyland gehörte, wurde 1987 von Iveco und der indischen Hinduja Group übernommen. Mit der Umbenennung der BL Limited in Rover Group Limited endete 1986 die Existenz des British-Leyland-Konzerns.

1988 wurde der Luft- und Raumfahrtkonzern British Aerospace (heute BAE Systems) neuer Eigentümer der Rover Group. 1990 erwarb Honda eine Beteiligung von 20 Prozent. Im gleichen Jahr kam der Land-Rover Discovery auf den Markt, ein Midsize Offroader, der zwischen erdigem Land-Rover und gediegenem Range Rover angesiedelt war. Gleichzeitig wurde die klassischen Land-Rover-Modelle, die zumindest äußerlich noch sehr an das Urmodell erinnerten, in Land-Rover Defender umbenannt. 1994 verkaufte British Aerospace seine Rover-Anteile an den deutschen Autokonzern BMW. Ab Mitte der 1990er Jahre wurden die alten Honda-Abkömmlinge, die Rover seit 1979 aufgrund eines Kooperationsabkommens zwischen Honda und British Leyland produzierte, nach und nach ausgemustert, ebenso die letzten Austin-Rover-Modelle (Metro, Maestro, Montego) und durch Eigenentwicklungen ersetzt (Rover 75, Rover 25). 1998 kam der Land-Rover Freelander auf den Markt, ein Fahrzeug für die lifestyleorientierte Kundschaft, das seit als 2015 Discovery Sport vermarktet wird. Lediglich der uralte Mini, der schon 1959 auf den Markt gekommen war, blieb noch bis ins Jahr 2000 in Produktion.

Range Rover
Range Rover

Diese kostenintensiven Maßnahmen überstiegen jedoch auch die finanziellen Möglichkeiten von BMW, sodass die Bayern die Marken Rover und MG sowie das frühere Austin-Werk in Longbridge/Birmingham 2000 an ein Konsortium unter Leitung des ehemaligen Rover-Chefs John Towers verkauften. Land-Rover und das Werk in Solihull übernahm Ford. Nur die Marke Mini und das Werk in Oxford blieben bei BMW. 2005 musste MG-Rover Konkurs anmelden. Kurz darauf übernahm die chinesische Nanjing Automobile Corporation (NAC) die MG-Rover Group und das Werk in Longbridge. Bereits 2004 hatte die Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) die Design- und Technologie-Rechte an den Rover-Modellen 25 und 75 erworben. Da die Rover-Markenrechte infolge der Insolvenz an BMW zurückgefallen waren, vermarktete der SAIC-Konzern die alten Rover-Modelle nun unter dem ähnlich klingenden Markenbezeichnung Roewe (Roe = chin. Löwe, König; Wei = Energie, Prestige). 2006 verkaufte BMW die Rover-Markenrechte an den Ford-Konzern, der sich beim Kauf von Land-Rover die Vorkaufsrechte gesichert hatte. 2007 übernahm SAIC auf staatlichen Druck hin den Konkurrenten Nanjing Automobile und kam damit auch in den Besitz der Marken MG und Roewe.

2008 verkaufte Ford seine Tochtergesellschaften Jaguar Cars und Land-Rover an Tata Motors, eine Tochtergesellschaft des indischen Mischkonzerns Tata. Das Unternehmen firmiert nun als Jaguar Land Rover Limited (Whitley/Coventry). Produziert werden die Fahrzeuge in den drei Werken Solihull (Land-Rover, Range Rover), Halewood (Land-Rover, Range Rover) und Castle Bromwich (Jaguar). Die Produktion des Ur-Modells Land-Rover Defender war Anfang 2016 eingestellt worden. Seit 2022 produziert die Ineos Automotive Limited im ehemaligen Smart-Werk in Hambach (Frankreich) den Geländewagen Ineos Grenadier, der zumindest äußerlich sehr nah an den früheren Land-Rover Defender angelehnt ist. Initiator dieses Fahrzeugs ist Jim Ratcliffe, der Gründer des britischen Chemiekonzerns Ineos. Die Motoren stammen von BMW. An der Entwicklung war der österreichische Fahrzeugzulieferer Magna-Steyr aus Graz beteiligt.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain