Markenlexikon

Kléber

Ursprungsland: Frankreich

Der amerikanische Reifenhersteller B.F.Goodrich rief 1910 eine französische Tochtergesellschaft ins Leben (Société Française B.F. Goodrich, ab 1938 Colombes-Goodrich) und errichtete in Colombes, rund zehn Kilometer nordwestlich von Paris, eine Reifen- und Gummifabrik. Die ersten Reifen verließen das neue Werk Ende 1911. 1930 begann B.F.Goodrich in Colombes mit der Produktion von Flugzeugreifen, zunächst für das Modell Potez 540. Drei Jahre zuvor hatte B.F.Goodrich in den USA die Reifen für die Ryan NYP »Spirit of St. Louis« entwickelt, mit der der Flugpionier Charles Lindbergh den Atlantik überquerte. 1942 kam mit der Herstellung von Antriebsriemen ein weiteres Produkt hinzu.

Während des 2. Weltkriegs, als Frankreich zu großen Teilen von den Deutschen besetzt war, verloren die Amerikaner jedoch zunehmend die Kontrolle über ihr Werk. Als Vorsichtsmaßnahme gegen möglichen Bombardierungen errichtete Colombes-Goodrich ab 1939 ein weiteres Werk in der Nähe von Decize. Die Produktionsanlagen in Colombes wurden 1944 bei der Befreiung von den Nationalsozialisten zu großen Teilen zerstört. 1945 verlegte das Unternehmen seinen Sitz in die Pariser Avenue Kléber und führte fortan den Firmennamen Pneumatiques Caoutchouc Manufacture et Plastique Kléber-Colombes (der Namensbestandteil Colombes entfiel 1968).

Die Straße war nach dem französischen General Jean-Baptiste Kléber (1753 – 1800) benannt, der 1799 von Napoleon Bonaparte das Oberkommando über die Orientarmee übernommen hatte, die von 1789 bis 1801 das osmanische Ägypten besetzte. Nachdem Kléber die Osmanen in der Schlacht von Heliopolis geschlagen und einen Aufstand in Kairo niedergeschlagen hatte, wurde er im Juni 1800 von einem Attentäter auf offener Straße erstochen. Den Mörder verurteilten die Franzosen anschließend zum Tode und pfählten ihn nach altorientalischer Sitte bei lebendigem Leibe. Aus Ägypten mussten sich die Franzosen 1801 dennoch zurückziehen, nachdem sie mehrere Schlachten gegen die Armeen der Briten und Osmanen verloren hatten. Ein französischer Offizier entdeckte während der Ägyptischen Besatzung 1799 in der Nähe der Stadt Raschid (frz. Rosette) den dreisprachigen Stein von Rosette, mit dessen Hilfe dem Sprachwissenschaftler Jean-François Champollion 1822 erstmals die Entzifferung der altägyptischen Hieroglyphen gelang.

Nachdem 1946 die Produktion wieder angelaufen war, wurden neben Reifen auch zahlreiche Industriegummi-Produkte hergestellt (Antriebsriemen, Förderbänder, Formgegenstände, Schläuche, Enteiser für Flugzeugflügel, Eisschutzmittel für Propeller). Ab 1947 war Kléber an der Pariser Börse notiert. Das Werk in Colombes wurde bis 1948 wieder aufgebaut. Eine dritte Fabrik entstand 1949 in Trilport. Mit der ehemaligen Muttergesellschaft B.F.Goodrich blieb das Unternehmen weiterhin als Partner verbunden, u.a. arbeiteten beide bei technischen Herstellungsprozessen zusammen und Kéber hatte Zugriff auf die Patente von B.F.Goodrich.

1947 brachte Kléber die ersten eigenen Winterreifen auf den Markt. Die Reifen trugen als Markenzeichen einen Bär in einer alpinen Landschaft. Bis dahin waren spezielle Autoreifen für Schnee und Glätte vor allem von der finnischen Gummifabrik Suomen Gummitehdas Osakeyhtio (Finnische Gummiwerke Aktiengesellschaft), die schon damals zum Nokia-Konzern gehörte, hergestellt worden, und zwar die Modelle Kelirengas für Lkw (ab 1934) und Hakkapeliitta für Pkw 8 (ab 1936). 1951 begann Kléber als einer der ersten Reifenhersteller mit der Produktion von schlauchlosen Reifen; die ersten sogenannten Tubeless-Reifen hatte 1948 B.F.Goodrich auf den Markt gebracht, gefolgt von Firestone 1951. Ab 1948 fertigte Kléber auch Reifen für Landmaschinen (Tracsol). Ende der 1960er Jahre entwickelten Kléber und Dunlop die Spezialreifen für die Concorde (später kamen die Reifen für das Überschallverkehrsflugzeug auch von Goodyear und Michelin).

1981 wurde Kléber von dem französischen Konkurenten Michelin übernommen, der schon seit 1965 an dem Unternehmen beteiligt war. Zuvor hatte auch die deutsche Continental AG erwogen, Kléber zu kaufen. Michelin erwarb 1990 auch die frühere Kléber-Muttergesellschaft Uniroyal-Goodrich Tire Company mit den Marken Uniroyal (außerhalb von Europa) und BFGoodrich. Seit der Integration in den Michelin-Konzern 1983 ist Kléber kein eigenes Unternehmen mehr, sondern nur noch eine Marke. Inzwischen wird der Markenname Kleber ohne Akzentzeichen (é) geschrieben.

Text: Toralf Czartowski