Markenlexikon

Heinkel

Ursprungsland: Deutschland

Der Maschinenbau-Ingenieur Ernst Heinrich Heinkel (1888 - 1958) baute 1910 sein erstes Flugzeug, das auf einer Konstruktion des französischen Luftfahrtpioniers Henri Farman basierte. lm Juli 1911 wurde er bei einem Absturz mit seinem Flugzeug über Untertürkheim bei Stuttgart schwer verletzt, was ihn nicht davon abhielt, weiterhin Flugzeuge zu bauen und zu fliegen. Von 1911 bis 1921 arbeitete er als Konstrukteur bei mehreren Flugzeugfirmen (Albatros Flugzeugwerke, Brandenburgische Flugzeugwerke, Caspar-Werke, L.V.G Luft-Verkehrs-Gesellschaft). Ende 1922 mietete er in Rostock-Warnemünde eine leerstehende Halle des ehemaligen Seeflugzeug-Versuchskommandos an und gründete dort seine eigene Firma. Die ersten Heinkel-Modelle waren die Sport- und Schulflugzeuge HE 3 (1923) und HD 24 (1926 – 1929) sowie die Schwimmer-Aufklärungsflugzeuge HE 4 (1926 – 1927) und HE 5 (1927 – 1937).

1932 entwarf Siegfried Günter im Auftrag der Deutschen Lufthansa die He 70 Blitz, einen einmotorigen Tiefdecker, der eine Zeitlang als schnellstes Verkehrsflugzeug der Welt galt (Spitzengeschwindigkeit 362 km/h). Zudem besaß die He 70 erstmals ein einziehbares Fahrwerk. Von dieser Maschine, die fünf Passagiere befördern konnte, wurden rund dreihundert Exemplare gefertigt und hauptsächlich an die Lufthansa geliefert.

In den 1930er Jahren wuchsen die Heinkel Flugzeugwerke zum größten Industriebetrieb Mecklenburgs heran mit zahlreichen Werken und Niederlassungen in Dänemark (Kopenhagen-Kastrup), Deutschland (Barth, Berlin-Reinickendorf, Lübz, Oranienburg, Ribnitz, Rostock, Rövershagen, Stuttgart-Zuffenhausen, Waltersdorf), den Niederlanden (Amsterdam), Österreich (Jenbach, Wien), Polen (Krakau, Mielec) und Frankreich (Paris). Die Zahl der Mitarbeiter stieg von 1.000 im Jahr 1932 auf 16.000 Ende 1944 an. Mit Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen waren es sogar rund 50.000 Beschäftigte.

Die ursprünglich als Zivilflugzeug konzipierte zweimotorige He 111 (1935 – 1944) avancierte mit über 7000 Exemplaren zum Standardbomber der Deutschen Luftwaffe. Sie wurde nicht nur von Heinkel in den Werken Rostock und Oranienburg gefertigt. sondern auch von Arado in Brandenburg, ATG (Allgemeine Transportanlagen-Gesellschaft) in Leipzig, CASA in Tablada/Sevilla (Spanien), Dornier in Wismar und Junkers in Dessau.

Am 27. August 1939 führte der Testpilot Erich Warsitz mit dem Versuchsflugzeug He 178 in Rostock-Marienehe den weltweit ersten Flug eines Flugzeugs mit Turbinenstrahlantrieb durch. Er dauerte rund acht Minuten. Die He 178 war ein rein privates Projekt von Ernst Heinkel und dem Physiker Hans Joachim Pabst von Ohain, der das Strahltriebwerk HeS 3 entwickelte. Das Reichsluftfahrtministerium zeigte jedoch kein Interesse an einer Serienproduktion, da bereits 1938 ein Auftrag für ein Strahlflugzeug an Messerschmitt vergeben worden war (Me 262). Ein weiteres Strahlflugzeug war die He 280 (1940 – 1943). Sie hatte als erstes Flugzeug der Welt einen Schleudersitz, der 1943 während eines Testflugs in Rechlin erstmals erfolgreich eingesetzt werden musste. Der Pilot überlebte den Absturz unverletzt. Nach nur neun Maschinen wurde die Entwicklung der He 280 jedoch beendet, einerseits wegen zahlreicher noch ungelöster technischer Probleme, andererseits weil es mit der Me 262 ein moderneres Konkurrenzmodell gab.

Heinkel
Heinkel

1943 wurden die Heinkel Flugzeugwerke auf Druck der Rüstungsbehörde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Ernst Heinkel, der zwar ab 1933 Mitglied der NSDAP und ab 1937 Wehrwirtschaftsführer war, aber ansonsten aufgrund seines eigenwilligen Erfinder-Charakters immer wieder mit den Nazis aneinandergeriet, wurde auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden abgeschoben, blieb aber weiterhin Mehrheitseigentümer des Unternehmens.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Ernst Heinkel zunächst verhaftet und von den Alliierten als »Mitläufer des NS-Regimes« eingestuft, was man später auf »Entlasteter« herabstufte. Die Werke im Osten Deutschlands wurden demontiert und anschließend gesprengt. 1950 erhielt Ernst Heinkel das Werk in Stuttgart-Zuffenhausen zurück. Die neue Firma musste jedoch für die Schulden und Bankverplichtungen der alten Heinkel-Gesellschaft aufkommen. Zudem lehnte es die Bundesrepublik ab, für die Verpflichtungen des liquidierten Deutschen Reiches in Höhe von rund 300 Millionen Mark gegenüber Ernst Heinkel aufzukommen.

1950 begann in Stuttgart-Zuffhausen die Produktion von wassergekühlten Zwei- und Dreizylinder-Zweitaktmotoren (u.a. für Veritas, Saab, Maico-Kleinwagen, Tempo-Lieferwagen). 1953 folgten Mopeds und Motorroller (Heinkel-Perle, Tourist), die in der Badisch-Pfälzischen Flugzeugreparaturwerft am alten Karlsruher Flugplatz gebaut wurden, und 1956 das Rollermobil Heinkel Kabine (1956 – 1958), für deren Produktion man die ehemaligen Flugwerke Saarpfalz in Speyer nutzte.

Der Versuch noch vor Aufhebung des alliierten Flugzeugbauverbots (1955) über die Liechtensteiner Tarnfirma Ekoba (Entwicklung, Konstruktion und Bau-GmbH) ein Kampfflugzeug für Ägypten zu entwickeln, scheiterte nach Ablieferung eines Prototyps daran, dass der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser sich Mitte der 1950er Jahre politisch dem Ostblock annäherte und deswegen sowjetische MiG-Kampfflugzeuge erhielt. Entwickelt und gebaut wurde der Prototyp in Feldkirch (Österreich), Stuttgart-Zuffhausen und Vaduz (Konstruktionsbüro).

1956 kehrte Heinkel offiziell zum Flugzeugbau zurück. Das Jointventure Flugzeug-Union Süd (Messerschmitt, Heinkel) fertigte das zweistrahlige Schulflugzeug Sud Aviation CM.170 Magister (Fouga Potez) in Lizenz. Außerdem wurden in Speyer Reparatur- und Wartungsarbeiten für verschiedene Flugzeugtypen durchgeführt. 1957/1958 entwickelte Heinkel einen Entwurf für ein zweimotoriges Passagierflugzeug für 24 Personen, das wahlweise mit Propellerturbinen oder Strahltriebwerken ausgestattet werden konnte (He 211). Da das Projekt jedoch trotz guter Absatzprognosen keine staatliche Förderung erhielt, wurde es wieder aufgegeben. Das 1959 gegründete Jointventure EWR Entwicklungsring Süd (Messerschmitt, Bölkow, Heinkel) entwickelte den experimentellen Senkrechtstarter VJ-101 (1963 – 1965). Ab 1960 war Heinkel auch am Bau der deutschen Lizenzvariante der Lockheed F-104G Starfighter beteiligt.

1964 verkauften die Heinkel-Erben ihre Anteile an der Heinkel-Flugzeugabteilung an die Vereinigten Flugtechnischen Werke (VFW), die 1961 aus dem Zusammenschluss der Flugzeughersteller Focke-Wulf (Lemwerder) und Weser Flugzeugbau (Bremen) entstanden waren.

Die Heinkel-Motorenbaufirma in Karlsruhe produzierte noch bis 1965 Motorroller, spezialisierte sich dann aber auf Verkaufsautomaten, Präzisionsteile für den Werkzeugbau, Anlagen zur Abwasserreinigung (Siebschleudern) und Zentrifugen. Die Heinkel-Muttergesellschaft Ernst Heinkel AG wurde 1968 von Daimler-Benz übernommen und 1970 in Maschinen- und Werkzeugbau Zuffenhausen AG (MAWAG) umbenannt.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Public Domain