Markenlexikon

Ferranti

Ursprungsland: Großbritannien

Der britische Elektroingenieur Sebastian Ziani de Ferranti (1864 – 1930), dessen Vater aus Italien stammte, entwickelte bereits in seiner Teenager-Zeit allerlei elektrische Geräte, auf die er auch Patente bekam, u.a. ein Bogenlicht für Straßenlaternen und zusammen mit dem Physiker Sir William Thomson (Lord Kelvin) einen elektrischen Generator (Ferranti Dynamo). 1887 stellte ihn die London Electric Supply Corporation (LESCo) als Chefingenieur ein. In dieser Position war er mit der Planung und dem Bau des Kraftwerks Deptford betraut, das 1890 in Betrieb ging. Bei der Inbetriebnahme entdeckte er die Überhöhung der elektrischen Spannung in nicht oder nur wenig belasteten Hochspannungsleitung durch Blindstromeffekte (Ferranti-Effekt). Dadurch kann die elektrische Spannung am Ende einer Leitung wesentlich höher sein als die am anderen Ende angelegte Spannung.

1882 gründete Sebastian Ziani de Ferranti zusammen mit Alfred Thompson und Francis Ince seine erste Elektrofirma (Ferranti, Thompson und Ince Limited), die den Ferranti-Thompson-Wechselstromgenerator produzierte. 1885 entstand eine weitere Firma (S.Z. de Ferranti Limited), diesmal waren Francis Ince und Charles Sparks die Partner. Dieses Unternehmen entwickelte und produzierte vor allem Stromzähler. 1901 wurde die S.Z. de Ferranti Limited umstrukuriert (Ferranti Ltd.). Da es jedoch nicht gelang, neue Kapitalgeber zu gewinnen, ging die Ferranti Ltd. 1903 in Konkurs und stand jahrelang unter der Aufsicht eines Konkursverwalters. Sebastian Ziani de Ferranti, der nur noch geringfügig an seinem Unternehmen beteiligt war (unter 10 Prozent), beschäftigte sich in dieser Zeit mit anderen technischen Entwicklungen (u.a. Baumwollspinnmaschinen, Turbinen).

Erst mit Beginn des 1. Weltkriegs mischte der Gründer wieder mehr in seinem Unternehmen mit. So überzeugte er den Vorstand der Ferranti Ltd. davon, Granaten und Granatzünder zu produzieren, was dazu führte, dass sich das Unternehmen finanziell sehr gut entwickelte. Ansonsten produzierte Ferranti vor allem Hochspannungstransformatoren und Messgeräte. Nach dem Tod von Sebastian Ziani de Ferranti 1930 wurde sein Sohn Vincent, der zuvor die Transformatorenabteilung geleitet hatte, neuer Ferranti-Geschäftsführer. Auch während des 2. Weltkriegs gehörte Ferranti zu den führenden britischen Waffenproduzenten (u.a. Zünder, Ventile, Identification Friend or Foe/IFF-System, Radar, Navigationsgeräte, Kreiselkanonen für die Spitfire-Kampfflugzeuge).

Avionik, Radarsysteme und andere militärische Elektronik blieben nach Kriegsende ein wichtiges Standbein des Ferranti-Konzerns. Von 1935 bis 1957 fertigte das Unternehmen in einem neuen Werk in Moston auch Unterhaltungselektronikgeräte (Fernseher, Radios, elektrische Uhren); dieser Bereich wurde jedoch 1957 an die Eric Kirkham Cole Limited (EKCO) verkauft.

Ende der 1940er Jahre entwickelte Ferranti gemeinsam mit der Victoria University of Manchester die Computeranlage Ferranti Mark 1, die 1951 kurz vor dem amerikanischen UNIVAC auf den Markt kam. Bis 1957 wurden sieben dieser Rechenanlagen gebaut und ausgeliefert, u.a. an den britischen Flugzeughersteller Avro und den britisch-niederländischen Ölkonzern Shell. Avro verwendete den Computer u.a. für die Konstruktion des vierstrahligen taktischen Bombers Avro 698 Vulcan, mit dem die Firma vollkommen neues aerodynamisches Terrain betrat. Das Flugzeug hatte große Deltatragflächen mit integrierten Strahltriebwerken, aber kein separates Höhenleitwerk. Die Avro Vulcan war einer von drei britischen Bombern, die für den Abwurf von Atombomben vorgesehen waren (Avro Vulcan, Handley Page Victor, Vickers Valiant). Vom Nachfolger des Mark 1, dem Pegasus, konnten ab 1956 schon 38 Exemplare verkauft werden. Der Mercury wurde ab 1957 neunzehn Mal verkauft, u.a. an die Europäische Kernforschungs-Organisation CERN in Genf und das britische Atomic Energy Research Establishment in Harwell. Der ebenfalls zusammen mit der University of Manchester entwickelte Computer Atlas (ab 1962), war eine Zeit lang der leistungsfähigste Computer der Welt. Die Computersparte verkaufte Ferranti 1963/1964 an die International Computers and Tabulators Limited (ICT), einem 1959 entstandenen Zusammenschluss aus BTM (British Tabulating Machine Company) und Powers-Samas. Nach der Fusion von ICT mit English Electric Leo Marconi und Elliott Automation (1968) firmierte das Unternehmen als International Computers Limited (ICL). ICL wurde 1998 von Fujitsu übernommen. Die Halbleiterentwicklung und -produktion blieb jedoch bei Ferranti (Ferranti Semiconductor Ltd.); diese Sparte wurde erst 1988 an Plessey verkauft.

Ab den 1960er Jahren entwickelte Ferranti Navigations- und Lasersysteme (LRMTS Marked Target Seeker, LTM Laser Target Marker, Rangefinder, TIALD-Pod Thermal Imaging Airborne Laser Designator) für mehrere europäische und in Europa eingesetzte amerikanische Kampfflugzeuge (Hawker Siddeley Harrier, McDonnell-Douglas F-4 Phantom, SEPECAT Jaguar, Panavia Tornado, Eurofighter) sowie für die Trägerraketen Ariane 4 und Ariane 5. Darüber hinaus kam das Position and Azimuth Determining System (PADS) auch in Fahrzeugen der britischen Armee zum Einsatz.

Nach dem Zusammenschluss mit dem US-Unternehmen International Signal and Control (ISC) aus Lancaster/Pennsylvania, benannte sich die Ferranti Ltd. 1987 in Ferranti International Ltd. um. Der Konzern bestand zu dieser Zeit aus den Geschäftsfeldern Ferranti Computer Systems, Ferranti Defence Systems, Ferranti Dynamics, Ferranti Satcomms, Ferranti Telecoms, Ferranti Technologies und International Signal and Control. Die wichtigsten Entwicklungs- und Produktionsstandorte waren in Greater Manchester/England (Chadderton, Cheadle Heath, Derker, Hollinwood, Moston, Poynton, Waterhead, West Gorton, Wythenshawe) und Schottland (Aberdeen, Barrow in Furness, Bracknell, Cwmbran, Dalkeith, Dundee, Edinburgh [Crewe Toll, Granton, Gyle, Robertson Avenue, Silverknowes, Turnhouse Airport], Kinbuck) angesiedelt. Daneben gab es auch Standorte in Australien, Deutschland, Kanada, Singapur und den USA.

Die ISC-Übernahme hatte jedoch weitreichende Folgen. ISC, ursprünglich ein Zulieferer für militärische Raketen (AGM-45 Shrike, RIM-7 Sea Sparrow), war in den 1980er Jahren in illegale Waffengeschäfte verwickelt. Das Unternehmen verkaufte militärische Ausrüstungen und Daten zum Aufbau eines Mittelstrecken-Raketensystems in die Südafrikanische Union, die damals wegen der Apartheid-Politik mit internationalen Sanktionen belegt war. Teile dieser Technologie gelangten auch in den Irak, der zu dieser Zeit Krieg mit dem Iran führte. Nach dem Zusammenschluss mit Ferranti hörten diese Lieferungen auf, sodass die Umsätze und Gewinne von ISC versiegten. Das Unternehmen war dadurch praktisch nichts mehr wert. Die Schulden, die sich nun nach und nach bei ISC auftürmten, trieben Ferranti International 1993 in den Konkurs. James Guerin, der Gründer und CEO von ISC, wurde im Oktober 1991 von einem Bundesgericht in Philadelphia u.a. wegen Betrugs, Geldwäsche und des illegalen Verkaufs von militärischer Ausrüstung zu einer 15-jährigen Haftstrafe verurteilt. Inwieweit die illegalen ISC-Aktivitäten den US-Geheimdiensten bekannt waren, oder ob sie sogar von diesen unterstützt wurden, ist bis heute umstritten.

Die Reste von Ferranti wurde anschließend größtenteils von GEC-Marconi (Ferranti Computer Systems, Ferranti Defence Systems, Ferranti Dynamics, Ferranti Instrumentation, Ferranti Thomson Sonar Systems), Thomson-CSF/SYSECA (Ferranti Computer Systems), Thorn-EMI (Ferranti Communications), Matra Marconi Space (Ferranti Satcomms) und Datel (Ferranti Air Systems) übernommen. Andere Teile gingen in den Besitz des jeweiligen Managements über. Die GEC-Marconi-Muttergesellschaft The General Electric Co. Ltd. (G.E.C.) verkaufte ihr gesamtes Verteidigungsgeschäft im Jahr 2000 an British Aerospace und benannte sich anschließend in Marconi plc. um. Aus British Aerospace wurde daraufhin BAE Systems. Thomson-CSF benannte sich ebenfalls im Jahr 2000 in Thales S.A. um. Einige Unternehmen, die auf Bereiche des früheren Ferranti-Konzerns zurückgehen, führen heute noch den Namen Ferranti (u.a. Ferranti Computer Systems Belgien, Ferranti Tapchangers, Ferranti Technologies).

Text: Toralf Czartowski

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