Markenlexikon

Etienne Aigner

Ursprungsland: USA
Ursprungsland: Deutschland

Der in Ungarn geborene Etienne Aigner (1904 – 2000) verdiente sein Geld zunächst als Teppichhändler, Schaufensterdekorateur und Glühbirnenverkäufer. Dann ging er nach Paris, wo er eine Lehre als Buchbinder absolvierte. Da Bücher damals noch vielfach in Leder gebunden wurden, lernte er durch die Ausbildung den Umgang mit diesem Material. Eine Kollege brachte ihm darüber hinaus die Herstellung von Handtaschen bei. Während des 2. Weltkriegs, als Paris von den Deutschen besetzt war, ging er aufs Land und schloss sich der Résistance an. Um etwas Geld zu verdienen, fertigten er und seine Frau Suzanne Richardot in dieser Zeit handgenähte Lederwaren.

Nach Kriegsende arbeitete Etienne Aigner eine Zeit lang in den Ateliers von Modeschöpfern wie Christian Dior, Jacques Fath und Edward Molyneux, wo er sich mit dem Entwurf von Handtaschen beschäftigte. 1950 fuhr er auf der Queen Mary nach New York, wo bereits sein Bruder Lucien, ein Fotograf, lebte. Anfangs arbeitete er bei einem Schuhhersteller in Manhattan. Als ein Bekannter, der Röcke und Blusen verkaufte, Gürtel benötigte, sahen die Aigners die Chance, sich selbstständig zu machen. Sie kauften dunkelrotes Cordovan-Rindsleder und fertigten daraus in Handarbeit aufwendig gestaltete Gürtel, die sie sich auch patentieren ließen, um Nachahmungen zu verhindern. 1959 eröffneten sie ihren ersten Showroom in Manhattan. Neben Gürteln entwarfen und fertigten sie bald auch andere Lederprodukte wie Handtaschen, Reitstiefel, Reisetaschen, Koffer oder Geldbörsen.

1965 vergab die Etienne Aigner Inc. die Lizenzrechte an der Marke Etienne Aigner außerhalb Nordamerikas an den Münchener Handelsvertreter Heiner Rankl (1921 – 1995), der daraufhin die Etienne Aigner GmbH & Co. Leathergoods KG mit Sitz in München gründete. Rankl hatte die Etienne-Aigner-Produkte bereits zuvor nach Europa importiert. Fortan war die deutsche Firma für die Märkte außerhalb Nordamerikas zuständig (Afrika, Asien, Australien, Europa), wobei die Produkte vom Design her teilweise modifiziert wurden.

1972 entstand eine Tochtergesellschaft in Mailand (ist heute in Bolzano ansässig), die die Lederartkel für den weltweiten Markt produzierte. Ab 1973 eröffnete Aigner zahlreiche Ladengeschäfte in internationalen Metropolen, die sich meist im Besitz von Franchise-Nehmern befanden. In den 1970er und 1980er Jahren wurde das Produktportfolio um Gepäck und Schuhe (1972), Tücher und Krawatten (1974), Parfums (1975), Damen- und Herrenbekleidung (1978) sowie Uhren und Modeschmuck (1982) erweitert.

1979 wandelte der Inhaber das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft um. Nachdem die Brüder Wolfgang und Reinhard Rauball zwischen 1981 und 1983 die Mehrheit der Etienne Aigner AG erworben hatten, ging das Unternehmen 1983 an die Börse. 1989 erwarb Evi Brandl, Eigentümerin der Metzgerei-Kette Vinzenzmurr, über die Investmentfirma VVB Vermögenstreuhand GmbH die Mehrheit der Aktienanteile. Sie nahm die Etienne Aigner AG 2004 wieder von der Börse.

Das New Yorker Unternehmen, die Etienne Aigner Inc., wurde 1967 an die US-Firma Villager verkauft, die 1969 in den Besitz des US-Bekleidungshersteller Jonathan Logan überging. Später wechselte die Firma noch mehrmals die Eigentümer (1984 United Merchants & Manufacturers, 1988 Charterhouse Group International, 1991 Hartstone Group, 2004 Wooster Investments).

Im Laufe der Jahre entfernten sich die Produkte der deutschen und amerikanischen Firma immer mehr voneinander, vor allem was den Preis und die Qualität betraf. Die in Italien handgefertigten Lederprodukte waren lange in der obersten Preis- und Qualitätsklasse angesiedelt, während sich die amerikanischen Massenprodukte im mittleren bis unteren Preissegment bewegten. Sie wurden meist in Lateinamerika oder Asien produziert. Seit den späten 2000er Jahren ist jedoch auch die deutsche Firma im Massenmarkt tätig. Diese Produkte werden teilweise in China (Nichtlederwaren), Spanien, Tschechien und in der Türkei gefertigt. Produkte wie Bekleidung, Brillen, Parfums, Schmuck, Schreibgeräte oder Uhren werden von verschiedenen Lizenznehmern hergestellt.

Beide Unternehmen, die Etienne Aigner Inc. (Marke: Etienne Aigner) und die Etienne Aigner AG (Marke: Aigner), haben heute außer dem gemeinsamen Ursprung nichts mehr miteinander zu tun. In den 1990er und 2000er Jahren versuchte die deutsche Firma die amerikanische mehrmals vergeblich zu kaufen.

Text: Toralf Czartowski