Markenlexikon

De Havilland

Ursprungsland: Großbritannien

Geoffrey de Havilland (1882 – 1965) arbeitete nach seinem Ingenieur-Studium zunächst bei mehreren Auto- und Motorenherstellern. 1909 baute er sein erstes Flugzeug, mit der er gleich beim ersten Flug einen Crash hinlegte. Bei einem zweiten Versuch mit einer neuen Maschine klappte es dann ein Jahr später besser. Kurz darauf ging er als Konstrukteur und Testpilot zur HM Ballon Factory in Farnborough (ab 1911 Royal Aircraft Factory), der er sein Flugzeug für 400 Pfund verkaufte. Dieser einmotorige Doppeldecker wurde anschließend in F.E.1 (Farman Experimental) umgetauft.

Die Bezeichnung Farman geht auf den Flugzeugkonstrukteur Henry Farman zurück, dessen grundlegende Designs damals von vielen anderen Herstellern imitiert wurden, sodass aus seinem Namen bald eine Gattungsbzeichnung wurde. Aus der F.E.1 entstand 1911 die F.E.2. 1912 war er an der Entwicklung der B.E.2 (Blériot Experimental) beteiligt, die während des Ersten Weltkriegs das Standard-Flugzeug der Royal Air Force war. Gebaut wurde sie von Vickers und Bristol Aeroplane.

1914 ging de Havilland zur Aircraft Manufacturing Company (Airco) nach Hendon, wo die von ihm konstruierten Flugzeuge bereits seine Initialen DH erhielten. Airco rief 1919 auch die erste britische Fluggesellschaft ins Leben (Aircraft Transport and Travel Limited), deren Airco DH.16 und DH.18 zwischen dem Hounslow Heath Aerodrome und Le Bourget (Frankreich) verkehrten. Airco war mit runt achttausend Angestellten eine Weile der größte Flugzeughersteller der Welt, der alle 45 Minuten ein Flugzeug fertigstellte. Doch nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, als der Flugzeugmarkt wegen der vielen verfügbaren Maschinen zusammenbrach, kam das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten, die 1920 schließlich zur Übernahme durch die Birmingham Small Arms Company (BSA), einen Hersteller von Kleinwaffen, Motorrädern und Automobilen führte. Als BSA mitbekam, dass die finanzielle Lage von Airco noch schlimmer war als angenommen, wurde das Unternehmen schließlich aufgelöst.

Mit der finanziellen Hilfe des Airco-Gründers George Holt Thomas erwarb de Havilland Teile von Airco und gründete daraufhin am Flugplatz Stag Lane in Edgware bei London die De Havilland Aircraft Company.

Berühmt wurde das ab 1934 in Hatfield/Hertfordshire ansässige Unternehmen mit dem zweisitzigen Doppeldecker D.H.60 Moth (Erstflug 1925), der sich wegen seines geringen Preises und seines gutmütigen Flugverhaltens hervorragend verkaufte, dem von der D.H.60 abgeleiteten Schulflugzeug D.H.82 Tiger Moth (Erstflug 1931), dem zweimotorigen Jagdbomber D.H.98 Mosquito (Erstflug 1940) und vor allem mit der D.H.106 Comet (Erstflug 1949), dem ersten in Serie gebauten strahlgetriebenen Verkehrsflugzeug der Welt. Die Strahltriebwerke entwickelten De Havilland (Ghost 50 Mk1; Comet 1) und Rolls-Royce (Avon; ab Comet 2).

1928 gründete De Havilland eine Tochtergesellschaft in Toronto/Kanada (DHC De Havilland Canada), die zunächst das Modell Tiger Moth und später, während des Zweiten Weltkriegs, die Mosquito produzierte. Nach dem Krieg fertigte DHC US-Flugzeuge in Lizenz, Modelle der britischen Konzernmutter sowie eigene Modelle (DHC-1 – DHC-8). Zu den erfolgreichsten Flugzeugen gehörten die DHC-6 Twin Otter (1965 – 1988), ein Turboprop-Zubringerflugzeug mit feststehendem Fahrwerk oder Schwimmer, und das zweimotorige Turboprop-Regionalverkehrsflugzeug DHC-8 Dash 8 (ab 1983), das bis heute gebaut wird. De Havilland Canada wurde 1980 von der kanadischen Regierung verstaatlicht, 1986 jedoch wieder privatisiert und an Boeing verkauft. Ab 1992 gehörte De Havilland Canada zum kanadischen Bombardier-Konzern.

1948 erwarb De Havilland die Vickers-Armstrongs-Fabrik am Hawarden Airport bei Hawarden in Flintshire/Wales (Broughton Factory), wo zuvor der Bomber Vickers Wellington gebaut worden war.

De Havilland
De Havilland

1952 eröffnete die britische Fluggesellschaft BOAC (British Overseas Airways Corporation; heute British Airways) mit der D.H.106 Comet auf der Strecke London – Johannesburg offiziell das Zeitalter der strahlgetrieben Jets. Die Comet flog nicht nur ruhiger als Maschinen mit Kolbenmotoren oder Turboprop-Antrieb, sie verkürzte die Reisedauer auch auf die Hälfte.

Zwischen 1953 und 1954 stürzten jedoch drei Comet 1 infolge eines explosionsartigen Druckverlustes ab, sodass dieser Typ, sowie die Nachfolgemodelle Comet 2 und Comet 3, mit einem Flugverbot belegt wurden. Nach umfangreichen Untersuchungen fand man heraus, dass das Ausdehnen und Zusammenziehen der Druckkabine beim Aufstieg und Abstieg zu Haarrissen im Bereich der Türenkanten und an den Ecken der fast quadratischen Fenster führte. Diese mikroskopisch kleinen Haarrisse entstanden schon beim Ausstanzen der Nietlöcher (zuvor waren Nietlöcher gebohrt worden), bei Belastung vergrößerten sie sich jedoch stetig und führten schließlich zum Auseinanderbrechen der Rumpfstruktur.

Erst 1958 startete die Comet 4 wieder zu einem regulären Flug. Gegen die amerikanische Konkurrenz (Boeing 707, Douglas DC-8) hatte die Comet nun allerdings keine Chance mehr. Die Produktion wurde 1964 nach nur 114 Exemplaren eingestellt. Die BOAC beendete die Flüge mit der Comet 4 1965. Andere Fluggesellschaften verwendeten die Comet 4 jedoch noch bis Anfang der 1980er Jahre. Die Comet 4 lebte als Marineaufklärer Nimrod (Erstflug 1967) bis zur Außerdienststellung 2011 weiter. Die französische Firma Société Nationale de Constructions Aéronautiques du Sud-Est (SNCASE; ab 1957 Sud Aviation) erwarb von De Havilland Lizenzen für verschiedene Design-Elemente, was dazu führte, dass das erste französische Strahlflugzeug Caravelle (Erstflug 1955) eine gewisse Ähnlichkeit mit der Comet aufwies.

Die letzten Flugzeuge, die De Havilland entwickelte, waren das dreistrahlige Kurz- und Mittelstrecken-Verkehrsflugzeug D.H.121/HS.121 Trident (1961 – 1978) und das zweistrahlige Geschäftreiseflugzeug De Havilland DH.125 Jet Dragon/HS.125/BAe 125/Hawker 800 (1962 – 2013).

In den späten 1950er Jahren übte die britische Regierung großen Druck auf die heimischen Flugzeughersteller aus, sich zu größeren Einheiten zusammenzuschließen, wenn sie weiter staatliche Aufträge bekommen wollten; ähnlich wie es auch in Frankreich praktiziert wurde. So entstanden um 1959/1960 zwei Gruppen: Hawker-Siddeley (Avro, Blackburn, De Havilland, Folland, Hawker) und die British Aircraft Corporation (BAC; Bristol, English Electric, Vickers-Armstrongs) – beide wurden 1976 verstaatlicht und 1977 in den staatlichen Luft- und Raumfahrtkonzern British Aeropsace (ab 2000 BAE Systems) eingebracht.

Die Flugmotorenabteilungen von Hawker-Siddeley (Armstrong-Siddeley Motors), Bristol Aircraft (Bristol Aero-Engines), De Havilland Aircraft (De Havilland Engine) und Blackburn Aircraft (Blackburn Engines) wurden zwischen 1959 und 1961 zusammengeschlossen (Bristol-Siddeley Engines) und 1966 an Rolls-Royce verkauft.

Geoffrey de Havilland war ein Cousin der Schauspielerinnen Olivia de Havilland und Joan Fontaine. Zwei seiner drei Söhne starben als Testpiloten in De-Havilland-Flugzeugen: John de Havilland (1918 – 1943) in einer Mosquito und Geoffrey Roald de Havilland Jr. (1910 – 1946) in einer De Havilland D.H.108 Swallow.

2018 verkaufte der Bombardier-Konzern, der 1992 De Havilland Canada (DHC) übernommen hatte, das Dash-8-Programm an die Longview Aviation Capital Corporation (Sidney/British Columbia), die 2019 eine neue Firma mit dem traditionsreichen Namen De Havilland Aircraft of Canada (Toronto) ins Leben rief.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Public Domain