Markenlexikon

Dassault Aviation

Ursprungsland: Frankreich

Marcel Bloch (1892 – 1986) begann seine Karriere als Flugzeugkonstrukteur 1915 mit der Entwicklung eines effizienten Holzpropellers, den er von einem Schreiner aus seiner Bekanntschaft bauen ließ. Das Patent verkaufte er an die französische Firma Caudron, die die Brüder René und Gaston Caudron noch vor dem Ersten Weltkrieg gegründet hatten. Bloch war gemeinsam mit Henri Potez auch an der Konstruktion des Doppeldeckers Caudron G3 beteiligt.

1916 gründeten Potez, Bloch und Louis Coroller die Firma Société d'Etudes Aeronautique (SEA), die ausschließlich Militärmaschinen baute. Aus diesem Unternehmen ging 1919 die Firma Aeroplanes Henri Potez hervor. 1929 rief Bloch eine eigene Firma ins Leben. Die Nationalisierung der französischen Flugzeugindustrie führte jedoch 1936 dazu, dass das Unternehmen und die dazugehörigen Werke in Bordeaux, Châteauroux-Déols, Courbevoie und Villacoublay in das Staatsunternehmen Société Nationale de Constructions Aéronautiques du Sud Ouest (SNCASO) eingegliedert wurden. Bloch war bis 1940 geschäftsführender Direktor der SNCASO.

Mit der Entschädigung, die er für die Verstaatlichung seines Unternehmens erhalten hatte, rief er Ende 1936 ein neues Konstruktionsbüro ins Leben, das Prototypen für SNCASO entwerfen und bauen sollte. 1937 wurde jedoch auch dieses Unternehmen in die SNCASO eingegliedert. In den späten 1930er Jahren errichtete und erwarb er drei weitere Werke (Saint-Cloud bei Paris, Dorat bei Thiers, Talence bei Bordeaux), wo Flugmotoren und Propeller produziert wurden. 1939 gründete er das Unternehmen Bordeaux Aéronautique.

Nach dem Einmarsch der Deutschen Truppen in Frankreich (1940) wurde Bloch von der Vichy-Regierung in Lyon und Drancy interniert, weil er sich weigerte, mit den Deutschen zusammenzuarbeiten. Sein Bruder Darius Paul Bloch, ein General, war in dieser Zeit gemeinsam mit Charles De Gaulle in der Restistance unter dem Decknamen Chardasso (von Char d'assaut = Angriffspanzer) tätig. 1944 kam Marcel Bloch für acht Monate ins KZ Buchenwald. 1946 legte sich die Familie in Anlehnung an Chardasso zunächst den Namen Bloch-Dassault zu (ab 1949 Dassault).

Aus den Flugzeugwerken in Bordeaux-Talence, Boulogne-Billancourt und Saint-Cloud entstand Ende 1945 das neue Unternehmen Avions Marcel Bloch (ab 1947 Avions Marcel Dassault). Das Werk in Talence, das mitten in der Stadt lag, wurde 1949 auf den Flugplatz Bordeaux-Mérignac verlegt.

Dassaults erstes Nachkriegsflugzeug war die kleine zweimotorige M.D.315 Flamant (Erstflug 1947), die bei den französischen Luftstreitkräften als Transport- und Ausbildungsflugzeug zum Einsatz kam. Zur gleichen Zeit entwickelte Dassault Frankreichs ersten Düsenjäger, die M.D.450 Ouragan (Erstflug 1949), die ab 1952 ausgeliefert wurde. Auf Wunsch der französischen Regierung, die eine gewisse Spezialisierung der einzelnen Flugzeughersteller bei militärischen Ausrüstungen anstrebte, konzentrierte sich Dassault in der Folgezeit hauptsächlich auf Kampfflugzeuge.

Dassault
Dassault

Zu den wichtigsten Dassault-Modellen zählen der Jagdbomber M.D.452 Mystére (Erstflug 1951), der trägerstützte Luftangriffsjäger Etendard (Erstflug 1955), das erste Mach-2-schnelle europäische Kampfflugzeug Mirage III (Erstflug 1956), der Überschallbomber Mirage IV (Erstflug 1959), das Mehrzweckkampfflugzeug Mirage F1 (1966), der Strahltrainer Dassault/Dornier Alpha Jet (1973), der Abfangjäger Mirage 2000 (Erstflug 1978) und das Mehrzweckkampfflugzeug Rafale (Erstflug 1986). 1962 begannen Dassault und Sud Aviation mit der Entwicklung eines zweistrahligen Geschäftsreiseflugzeugs, wobei Dassault den Rumpf und Sud Aviation die Tragflächen sowie das Leitwerk konstruierte. Der Erstflug dieses Typs, der in Frankreich Mystére 20 und im Export Falcon 20 hieß, fand im Mai 1963 statt. Die Serienfertigung, bei der nun Sud Aviation den Rumpf und Dassault das Tragwerk produzierte, begann 1965. Die Falcon-Jets werden in verschiedenen Größen und Varianten bis heute gebaut.

Von 1967 bis 1971 übernahm Dassault auf Drängen der französischen Regierung die Firma Bréguet Aviation, den Hersteller des Seeaufklärers Br.1150 Atlantic und des britisch-französischen Kampfflugzeugs SEPECAT Jaguar. Die Brüder Louis-Charles Bréguet (1880 – 1955) und Jacques Bréguet, Nachkommen des Schweizer Uhrmachers Abraham Louis Breguet, hatten 1907 mit dem Bréguet 1 Gyroplane den ersten Hubschrauber der Welt gebaut und 1911 eine eigene Flugzeugfirma gegründet. Bréguet Aviation betrieb zum Zeitpunkt der Übernahme vier Produktionsstätten (Anglet, Biarritz-Parme, Toulouse-Blagnac/Colomiers, Vélizy).

Mit dem zweistrahligen Kurzstreckenverkehrsflugzeug Mercure versuchte Dassault-Bréguet Anfang der 1970er Jahre Boeing und McDonnell-Douglas Konkurrenz zu machen. Das Projekt wurde hauptsächlich vom französischen Staat und von Risikoanlegern finanziert, Dassault-Bréguet selbst steuerte nur einen geringen Anteil bei. An der Produktion waren auch die Firmen ADAP (Belgien), Canadair (Kanada), CASA (Spanien), Fiat (Italien) und FW (Schweiz) beteiligt. Gegen die US-Modelle Douglas DC-9 und Boeing 737, die sich bereits seit 1965 und 1968 im Liniendienst befanden, hatte die Mercure, die 1971 erstmals in die Luft kam, jedoch keine Chance, was hauptsächlich an der Auslegung als reines Kurzstreckenverkehrsflugzeug lag, während die DC-9 und die Boeing 737 als Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge betrieben werden konnten. Lediglich die französische Regionalfluggesellschaft Air Inter, an der auch Air France beteiligt war, bestellte zehn Flugzeuge, die bis 1975 ausgeliefert wurden.

1998 erwarb der staatliche französische Luft- und Raumfahrtkonzern Aérospatiale (heute Airbus) den Anteil an Dassault-Bréguet, den der französische Staat seit 1979 besaß. Ein Jahr später gab Dassault den Namensbestandteil Bréguet auf. Die Mehrheit der Aktien befinden sich weiterhin in der Hand der Gründerfamilie.

Die Hauptprodukte von Dassault Aviation sind die Falcon Jets (Dassault gehört neben Bombardier, Cessna, Embraer und Gulfstrem zu den weltweit führenden Herstellern von Business Jets) und das Mehrzweckkampfflugzeug Rafale, das nicht nur an die französischen Luftstreitkräfte geliefert wird, sondern auch in mehrere andere Länder (Ägypten, Griechenland, Indien, Indonesien, Katar, Kroatien, Vereinigte Arabische Emirate). Frankreich ist neben Schweden (Saab) das einzige Land Europas, das ausschließlich heimische Kampfflugzeuge einsetzt (Rafale, Mirage). An den europäischen Kooperationen Panavia Tornado und Eurofighter war Frankreich nicht beteiligt.

Dassault Aviation betreibt Produktionswerke in Argenteuil, Argonay, Anglet Biarritz, Bordeaux-Mérignac, Cazaux, Istres, Martignas, Poitiers, Saint-Cloud und Seclin. Der Hauptsitz befindet sich in Saint-Cloud bei Paris.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Public Domain