Markenlexikon

Chupa Chups

Ursprungsland: Spanien

Enric Bernat Fontlladosa (1923 – 2003) entstammte einer Familie, die schon seit Generationen Süßwaren in Barcelona herstellte. Nachdem er einen Weile in der elterlichen Firma, in anderen Konditoreien und in einer Käserei als Verkäufer gearbeitet hatte, machte er sich 1950 mit seinem eigenen Unternehmen Productos Bernat selbstständig. Die Firma stellte hauptsächlich Zuckermandeln her.

1954 bekam er von dem Unternehmer Domingo Massanes das Angebot, die Granja Asturias S.A. aus Piloña/Villamayor (Asturien), die zahlreiche Apfelprodukte herstellte (Apfelkonfitüren, Apfelsäften, Apfelkonzentrate), sich aber gerade in finanziellen Schwierigkeiten befand, zu sanieren. Im Erfolgsfall wurde ihm ein Anteil von 50 Prozent an der Firma versprochen. Bereits 1956 machte das Unternehmen tatsächlich wieder Gewinn, u.a. dadurch, dass Bernat die Apfelproduktion einschränkte und dafür Bonbons herstellte. Als Bernat vorschlug, sich fortan auf nur noch ein Produkt spezialisieren, nämlich Lutscher, stieß er damit bei den anderen Eigentümern auf Unverständnis. Schließlich zogen sie sich aus dem Unternehmen zurück, sodass Bernat alleiniger Eigentümer von Granja Asturias wurde. 1959 began schließlich die Produktion der Lutscher.

Die Firma nimmt für sich in Anspruch, den Lutscher oder Lollipop, wie er im Englischen gennant wird, erfunden zu haben. Tatsächlich tauchten die ersten industriell hergestellen Bonbons (Hartkaramell) am Stiel bereits bald nach der Jahrhundertwende in den USA auf. 1908 gab es die ersten Maschinen von der Racine Confectionary Machine Company aus Racine/Wisconsin, die Lutscher automatisiert produzieren konnten. George Smith, ein Lutscherhersteller aus New Haven/Connecticut, dessen Pferd Lolly Pop hieß, ließ sich 1931 den Begriff Lollipop, der sich aus den Wörtern »lolly« (in Nordengland eine umgangssprachliche Bezeichnung für Zunge) und »Pop« (engl. Schlag) zusammensetzt, markenrechtlich schützen. Das Wort Lollipop war allerdings schon dem englischen Lexikographen Francis Grose im späten 18. Jahrhundert bekannt. Aus dieser Zeit ist überliefert, dass Engländer Holzstäbchen in gekochte Süßigkeiten steckten, damit sie leichter zu essen waren.

Unabhängig davon, wer genau den Lutscher nun erfunden hat (Chupa Chups war es auf kleinen Fall), erwies sich die Idee Enric Bernats als goldrichtig. Die Bonbons am Stil, die es in unzählichen Formen und Geschmacksrichtungen gab und gibt, verkauften sich hervorragend. Bernats Variante, anfangs in den Sorten Erdbeere, Zitrone, Orange, Cola und Minze, hieß zunächst Gol (span. Treffer, Ziel). Einer Anekdote zufolge soll Bernat die für damalige Zeiten teuren Lutscher (1 Pesete pro Stück) vor Schulen an Kinder kostenlos verteilt haben, die dafür in umliegegenden Geschäften nach dem Lutscher fragen sollten. Und je öfter danach gefragt wurde, desto eher bestellten die Läden den Lutscher.

1963 lief im spanischen Radio ein Werbejingle mit dem gesungenen Slogan »Obtén algo dulce para chupar, chupar, chupar como un Chups.« (Hol dir was Süßes zum Lecken, Lecken, Lecken wie ein Chups.). »Chups« ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für Lutscher, die darauf zurückzuführen ist, dass der runde Lolli mit etwas Fantasie genau dieses Geräusch macht, wenn man ihn aus den Mund zieht. Da der Jingle besonders bei Kindern sehr gut ankam, entwickelte die Granja Asturias S.A. daraus den Markennamen Chupa Chups. 1964 wurde auch der Firmenname in Chupa Chups geändert. 1969 beauftragte Bernat den weltbekannten spanischen Maler Salvador Dalí, mit dem er befreundet war, damit, ein neues Logo für die Marke zu entwerfen. Angeblich soll Dalí das Blumenlogo während eines Mittagsessens mit Bernat auf einer Serviette oder den Rand einer Zeitung gezeichnet haben.

1967 eröffnete Chupa Chups eine neue Fabrik in Sant Esteve de Sesrovires (Barcelona), um über genügend Produktionskapazitäten für die geplante Expansion zu verfügen. Ab 1969 begann Chupa Chups sich nach und nach weitere Märkte zu erschließen, zunächst in Europa, später auch in Amerika, Asien und Australien. Für die Werbekampagnen wurden nun internationale Unterhaltungsstars wie Michael Jackson, Madonna oder die Spice Girls engagiert. Der größte Werbestar für Lollis und damit für Chupa Chups war jedoch in den 1970er Jahren der ständig lollilutschende New Yorker TV-Polizist Kojak (Telly Savalas) in der US-Fernsehserie Kojak – Einsatz in Manhattan (1973 – 1978). In 1980er und 1990er Jahren avancierte Chupa Chups zum weltweit führenden Hersteller von Lutschern.

1991 gab Enric Bernat das Unternehmen an seinen Sohn Xavier weiter. 1994 entwickelte Chupa Chups mit Smint (kleine Pfefferminzpastillen) eine weitere erfolgreiche Marke. Infolge von zurückgehenden Geburtenraten und einem höheren Gesundheitsbewustsein gingen die Verkaufszahlen der Lutscher zeitweise empfindlich zurück. 2006 verkaufte Xavier Bernat das Unternehmen schließlich an den italienisch-niederländischen Süßwarenkonzern Perfetti Van Melle Group, der vor allem durch seine Marke Mentos bekannt ist. Das Werk in Piloña, wo die Chupa Chups das Licht der Welt erblickten, wurde 2011 geschlossen.

Text: Toralf Czartowski