Markenlexikon

Chiquita

Ursprungsland: USA

Captain Lorenzo Dow Baker (1840 – 1908) brachte 1870 mit seinem Segelschiff Telegraph die allererste Ladung Bananen von Port Antonio (Jamaika) nach Jersey City am Hudson River, direkt gegenüber von New York City. Zuvor waren Bananen in den USA weitestgehend unbekannt gewesen. Auf der elftägigen Reise verdarben die Früchte jedoch, sodass Baker bei seiner nächsten Fahrt grüne Bananen kaufte, die dann bei der Ankunft gerade reif waren. 1885 gründete Captain Baker, dem nun schon eine kleine Flotte von Bananenschiffen gehörte, gemeinsam mit Andrew Woodbury Preston (1846 – 1924), einem Unternehmer aus Massachusetts, der Anteile an Bakers Bananenflotte besaß, die Boston Fruit Company.

Bei den ersten Bananen handelte es sich um die Sorte Gros Michel, die ursprünglich aus Südostasien stammte und in den 1820er Jahren von französischen Seeleuten auf die Karibikinsel Martinique gebracht worden war. Von dort verbreitete sie sich erst in der ganzen Karibik, dann auch in Mittel- und Südamerika (Costa Rica, Ecuador, Honduras, Guatemala, Kolumbien, Panama). Der Großteil der nach Nordamerika und Europa exportierten Bananen gehörte bis Anfang der 1960er Jahre zu dieser Sorte.

1899 schloss sich die Boston Fruit Company mit der Eisenbahngesellschaft von Costa Rica zur United Fruit Company zusammen. Diese Eisenbahnlinie war zwischen 1871 und 1891 zum Transport von Kaffeebohnen gebaut worden. Ihr Erbauer und Besitzer Minor Cooper Keith (1848 – 1929), der später auch »Kaiser des karibischen Meeres« genannt wurde, verfügte zudem über riesige Ländereien entlang der Strecke, die sich bestens für Bananenplantagen eigneten, und über tausende Arbeitskräfte, die die Eisenbahnstrecke gebaut hatten.

Von Costa Rica aus breitete sich die United Fruit Company über den ganzen südlichen Teil Mittelamerikas aus. Bereits in den 1930er und 1940er Jahren gehörten United Fruit viele Millionen Hektar Land, tausende Kilometer Eisenbahnstrecke, rund einhundert Überseeschiffe, mehrere komplette Hafenanlagen sowie Kühlhallen, Hotels, Verwaltungsgebäude, Wohnungen und Krankenhäuser. Der Konzern war lange Zeit der größte Arbeitgeber in ganz Mittelamerika. Die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen waren allerdings so erbärmlich, dass sie sich nur noch mit denen des berüchtigten US-Kupferkonzerns Anaconda in Montana vergleichen ließen.

Die United Fruit Company führte sich in Mittelamerika jahrzehntelang wie ein Staat im Staate auf. Die Manager setzten Präsidenten auf den Thron und stürzten sie auch wieder, ganz wie es ihnen beliebte und wie es der Konzernpolitik gerade in den Kram passte. Das wenig schmeichelhafte Wort »Bananen-Republik« geht auf die Praktiken des Bananen-Konzerns zurück, der von den Einheimischen »Der grüne Papst« genannt wurde. Zum Management und Aktionärskreis des Konzerns gehörten honorige Herren wie Allen Dulles (von 1953 bis 1961 Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA), sein Bruder John Foster Dulles (von 1953 bis 1959 US-Außenminister) sowie eine Reihe weiterer hochrangiger US-amerikanischer Politiker. Auch Nicaraguas berüchtigter Diktator Anastasio Somoza Garcia, dessen Familie sich von 1937 bis 1979 an der Macht hielt, arbeitete vor seiner Politikerkarriere bei der United Fruit Company. Mit der Macht der US-Regierung im Rücken war es für den Konzern ein Leichtes, Staatsstreiche zu inszenieren und unliebsame Politiker durch loyale Marionetten zu ersetzen.

Chiquita
Chiquita

Ab 1944 bewarb der Konzern seine Bananen mit der von dem Grafiker Dik Browne entworfenen Werbefigur Miss Chiquita (halb Banane, halb Mädchen) und kreierte damit die erste Markenbanane. Das Wort »chiquito« bzw. die weibliche Form »chiquita« bedeutet auf Spanisch »winzig« oder »besonders klein«, wird aber in lateinamerikanischen Ländern auch als familiäre Bezeichnung für »kleines Mädchen« verwendet. Das blau-gelbe Siegel klebt seit 1963 auf den Chiquita-Bananen. In Europa wurde der Markenname Chiquita erst ab 1966 benutzt.

In den 1950er und frühen 1960er Jahren wurde ein Großteil der Bananensorte Gros Michel von einem Pilz vernichtet. Ein wirtschaftlicher Anbau für die Exportmärkte war dadurch nicht mehr möglich. Die Bananen-Konzerne stiegen daraufhin auf die ebenfalls aus Südostasien stammende Cavendish-Banane um, die zunächst resistent gegen den Pilz war. Diese Sorte konnte außerdem aufgrund ihrer niedrigeren Wuchshöhe, der Möglichkeit, sie dichter stehend zu pflanzen und der höheren Beständigkeit gegenüber Stürmen besser industriell verwertet werden. Die Ernteerträge verdoppelten sich nahezu. Inzwischen droht dieser Sorte jedoch durch andere und aggressivere Pilze das gleiche Schicksal wie der Gros Michel.

1969 schloss sich United Fruit mit dem Fleischkonzern AMK zur United Brands Company zusammen. 1990 benannte sich das Unternehmen schließlich nach seiner bekanntesten Marke in Chiquita Brands International um.

Der überwiegende Teil der Chiquita-Bananen kommt aus Costa Rica, Guatemala, Honduras, Kolumbien und Panama, außerdem aus Ecuador, von den Philippinen, der Elfenbeinküste und aus Australien. Daneben vermarktet der Konzern unter verschiedenen Markennamen (Amigo, Chico, Chiquita, Chiquita Jr., Consul, Fresh Express, Frupac, Pacific Gold) auch Ananas, Äpfel, Avocados, Birnen, Grapefruits, Gurken, Melonen, Paprika, Pfirsiche, Tomaten, Weintrauben sowie abgepackte Salate und frisch geschnittenes Obst.

Die Bananen werden in unreifem Zustand geerntet, gewaschen und in Kisten verpackt. Containerschiffe transportieren sie bei einer konstanten Kühlung von 13 Grad Celsius in die Zielländer. Dort werden sie mit Ethylen begast, um den unterbrochenen Reifeprozess wieder in Gange zu bringen. Nach vier bis zehn Tagen sind die Bananen verkaufsreif.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain