Markenlexikon

Cartier

Ursprungsland: Frankreich

Nach dem Tod seines Lehrmeisters Adolphe Picard (1847) übernahm Louis François Cartier (1819 – 1904), der Sohn eines Pulverhornmachers, dessen Pariser Uhren- und Juweliergeschäft in der Rue Montorgueil 29. Bereits sein gleichnamiger Großvater war einst Goldschmied gewesen. 1853 wurde das Atelier in die Rue Neuve des Petits Champs Nr. 5 verlegt und 1859 dann noch einmal in den Boulevard des Italiens 9. Im gleichen Jahr bestellte die französische Kaiserin Eugénie bei Cartier ein Tee-Service aus Silber, was dazu führte, dass Cartier 1867 zum offizieller Hofjuwelier des letzten französischen Kaisers Napoléon III. ernannt wurde. Der konnte sich jedoch an Cartiers Kreationen nicht mehr lange erfreuen; infolge des Deutsch-Französischen Kriegs setzten ihn die siegreichen Preußen im September 1870 ab und schoben ihn anschließend nach England ins Exil ab, wo er Anfang 1873 starb.

1874 übernahm Alfred Cartier (1841 – 1925), der Sohn des Gründers, die Firma, nachdem er zwei Jahre zuvor bereits Partner seines Vaters geworden war. 1899 zog Cartier wieder um, diesmal in die noble Rue de la Paix Nr. 13 am Place Vendôme, wo auch zahlreiche andere Schmuck- und Modehäuser ansässig waren und sind. Rechtzeitig zur Krönung des englischen Königs Edward VII. (1902) eröffnete Alfreds Sohn Pierre eine Filiale in der Londoner 4 New Burlington Street (wurde 1907 in die 175 New Bond Street verlegt). Cartier fertigte für die Krönung u.a. 27 Diademe; Edward VII. nannte ihn anschließend »Juwelier der Könige, König der Juweliere«.

Weitere Geschäfte eröffneten Alfred Cartier und seine Söhne Pierre-Camille (1878 – 1964), Louis-Joseph (1875 – 1942) und Jacques-Théodule (1884 – 1942) in St. Petersburg (1908), wo mit Fabergé einer der größten Cartier-Konkurrenten seinen Sitz hatte, 1909 in New York (712 Fifth Avenue; seit 1917 in der 653 Fifth Avenue), 1910 in Moskau, 1925 in Palm Beach, 1926 in St. Moritz, 1935 in Monte Carlo und 1938 in Cannes. In dieser Zeit belieferte Cartier auch die Königshäuser von Ägypten, Albanien, Belgien, Griechenland, Portugal, Rumänien, Russland, Spanien, Siam (Thailand) und Serbien sowie das Fürstentum Monaco mit Schmuck, außerdem die großen amerikanischen Industriellenfamilien Rockefeller, Ford, Du Pont de Nemours, Vanderbilt und Gould.

Die Cartiers waren die ersten europäischen Juweliere, die das äußerst seltene Edelmetall Platin für die Schmuckherstellung verwendeten. Da Platin nicht nur härter ist, sondern auch einen deutlich höheren Schmelzmunkt als die Schmuckmetalle Gold und Silber aufweist, musste sich Louis Cartier vollkommen neue Fertigungstechniken einfallen lassen, um die Juwelen der Könige, Fürsten, Paschas und Maharadschas in Platin einfassen zu können.

Louis Cartier war es auch, der den Schwerpunkt des Unternehmens allmählich auf Uhren verlegte. Die Cartiers hatten schon vorher mit Pendel-, Taschen- und Armbanduhren gehandelt, mit wenigen Ausnahmen handelte es sich dabei jedoch um Fremdfabrikate, u.a. von Audemars Piguet und Vacheron Constantin.

Cartier
Cartier

1904 entwickelte Louis Cartier für den brasilianischen Flugpionier Albert Santos Dumont, der mit Cartier befreundet war, die Armbanduhr »Santos«, die 1911 in den Handel kam. Damals waren Armbanduhren noch eine Seltenheit, die meisten Männer trugen Taschenuhren. Berühmtheit erlangte 1917 die Uhr »Tank«, deren Form dem Grundriss eines Renault-Panzers nachempfunden war. Diese Uhr gibt es in verschiedenen Varianten bis heute; eines der ersten Exemplare schenkte Pierre Cartier 1918 dem General John Pershing, der während des Ersten Weltkriegs Oberbefehlshaber der US-amerikanischen Truppen an der Westfront war. Die Uhrwerke für die Cartier-Uhren stammen seit 1907 größtenteils von der Schweizer Uhrenmanufaktur Jaeger-LeCoultre, in geringerem Maße auch von Audemars-Piguet, Movado und Vacheron Constantin.

Nach dem Tod von Louis Cartier 1942 ging es mit dem Unternehmen stetig bergab, was auch daran lag, dass die einzelnen Cartier-Geschäfte vollkommen unabhängig voneinander geführt wurden. 1962 verkaufte Louis' Sohn Claude Cartier sein New Yorker Geschäft an die Juwelierkette Black, Starr & Frost. Marion Cartier (1911 – 1994), die nach dem Tod ihres Vaters Pierre Cartiers (1964) die Pariser Filiale erbte, verkaufte ihre Anteile 1966.

Robert Hocq, der Besitzer der Feuerzeugfirma Silver Match, entwarf 1968 für Cartier ein Luxusfeuerzeug, nachdem er bei anderen Pariser Juwelierfirmen wie Van Cleef & Arpels mit dieser Idee zuvor abgeblitzt war. Der Erfolg dieses Feuerzeugs führte zum erneuten Aufstieg der Marke Cartier.

Gemeinsam mit dem französischen Banker Joseph Kanouї und dem südafrikanischen Tabakunternehmer Anton Rupert (Carreras, Dunhill, Lord Extra, Peter Stuyvesant, Rembrandt, Rothmans of Pall Mall) erwarb Hocq 1972 Cartier Paris, 1974 Cartier London und 1976 Cartier New York; 1979 kam es zur Wiedervereigung unter dem Namen Cartier Monde.

Als besonders erfolgreich erwies sich die Linie »Les Must de Cartier«, unter der preiswertere Luxusartikel wie Feuerzeuge, Zigaretten, Lederartikel (ab 1974), Kugelschreiber (ab 1976), Armbanduhren (ab 1976) und Parfums (ab 1981) vermarktet wurden. In dieser Zeit eröffneten auch zahlreiche weitere Cartier-Boutiqen überall auf der Welt (1969 Genf, 1970 Hongkong, 1971 München, 1973 Singapur, 1974 Tokyo).

1988 fasste die südafrikanische Rupert-Familie, der Cartier inzwischen vollständig gehörte, ihre Auslandsbeteiligungen in der Schweizer Finanzholding Compagnie Financière Richemont zusammen. Im gleichen Jahr erwarb Cartier die Schweizer Uhrenmanufakturen Piaget und Baume & Mercier. Richemont gehören inzwischen Luxusmarken wie A. Lange & Söhne, Alfred Dunhill, Baume & Mercier, Cartier, Chloé, IWC, Jaeger-LeCoultre, Lancel, Montblanc, Montegrappa, Panerai, Piaget, Purdey, Sulka, Vacheron Constantin und Van Cleef & Arpels. Cartier ist neben Tiffany (USA) und Bulgari (Italien) eine der drei größten Juwelierfirmen der Welt.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain