Markenlexikon
Im Oktober 1913 gründete der Ingenieur Karl Friedrich Rapp (1882 – 1962) in München die Rapp Motorenwerke, um in einer früheren Fahrradfabrik Flugmotoren zu bauen. Doch die Firma kam nie richtig in Gang. Trotz des 1. Weltkriegs und des großen Bedarfs an Flugmotoren waren die Kassen ständig leer und die Motoren litten unter gravierenden Qualitätsproblemen. 1916 übernahm schließlich der italienisch-österreichische Finanzier Camillo Castiglioni (1879 – 1957) die Kontrolle über die Firma. Castiglioni brachte gleich noch einen Auftrag von Austro-Daimler mit und den österreichischen Ingenieur Franz Joseph Popp (1886 – 1954), der nun die Leitung des Unternehmens übernahm. Anfang 1917 kam der Ingenieur Max Friz (1883 – 1966) hinzu, der zuvor bei Daimler in Stuttgart beschäftigt gewesen war. Kurz darauf wurde die Rapp Motorenwerke GmbH in Bayerische Motoren Werke GmbH (ab 1918 AG) umbenannt. Als Symbol für die neue Flugmotorenfabrik wählte man einen stilisierten Propeller in den bayerischen Nationalfarben Blau und Weiß.
Doch kaum hatte BMW mit der Flugmotorenproduktion begonnen, kam auch schon wieder das Aus. Als Verlierer des 1. Weltkriegs durften deutsche Unternehmen keine Flugzeuge mehr herstellen und folglich auch keine Flugmotoren. 1920 verkaufte Castiglioni die BMW AG an die Knorr Bremse AG, einen Hersteller von Eisenbahnbremsen, der BMW zu einem reinen Zulieferbetrieb machte. BMW fertigte nun Druckluftbremsen für die Wagen der Bayerischen Eisenbahnverwaltung. 1922 erwarben Popp und Castiglioni die BMW-Namensrechte sowie die Motorenabteilung zurück und begannen in den leerstehenden Werksanlagen der Bayerischen Flugzeugwerke AG in München mit der Produktion von Motorrädern sowie Schiffs- und Lastwagen-Motoren. Die BFW war 1916 aus den Flugmaschinenwerken Gustav Otto (1883 – 1926; ein Sohn des Ottomotor-Erfinders Nikolaus Otto) hervorgegangen. Mit den 1923 in Augsburg gegründeten Bayerischen Flugzeugwerken, aus denen später die Messerschmitt AG hervorging, hatte dieses Unternehmen nichts zu tun. Das erste BMW-Motorrad war die von Max Fritz konstruierte R32 mit 500-Kubikzentimeter-Zweizylinder-Boxermotor (8,5 PS), Kardanantrieb und Doppelstahlrohrrahmen. 1928 stieg BMW mit dem Kauf der Eisenacher Dixi Automobil AG in die Automobilproduktion ein.
Dixi war 1896 von dem aus Thüringen stammenden Erfinder und Unternehmer Heinrich Ehrhardt (1840 – 1928), dem auch die Rheinische Maschinen- und Metallwarenfabrik AG (Rheinmetall) in Düsseldorf gehörte, als Fahrzeugfabrik Eisenach AG gegründet worden. Die ersten Fahrzeuge entstanden 1898 nach französischer Decauville-Lizenz und trugen den Namen Wartburg – benannt nach der gleichnamigen Burg in Eisenach. 1903 verließen Ehrhardt und sein Sohn Gustav das Unternehmen jedoch wieder und bauten noch bis 1919 Jahre Autos unter ihrem eigenen Namen. Die neuen Besitzer nannten die Firma nun Dixi Automobil AG. Der Name Dixi bedeutet auf lateinisch »ich habe gesprochen« und soll einer Anekdote zufolge aus dem Schlusswort einer heftigen Diskussion im Aufsichtsrat über den Namen der neuen Firma entstanden sein. 1927 erwarb das Werk von der englischen Austin Motor Company die Lizenz für die Fabrikation des Kleinwagens Austin Seven (Dixi 3/15 DA), geriet danach jedoch in finanzielle Schwierigkeiten. Bis 1931 baute man in Eisenach den Dixi 3/15 in verschiedenen Varianten weiter, dann verschwanden die Namen Wartburg und Dixi zugunsten von BMW. Die Marke Wartburg wurde erst 1956 in der DDR wiederbelebt.
Die erste BMW-Eigenentwicklung war 1932 der Kleinwagen AM1 3/20 mit einer von Daimler-Benz in Sindelfingen gefertigten Karosserie. Ein Jahr später folgte mit dem BMW 303 die erste komplette Neukonstruktion. BMW spezialisierte sich bald auf große Mittel- und Oberklasselimousinen (1935 BMW 326, 1936 BMW 327, 1939 BMW 335) sowie attraktive Sportwagen (1934 BMW 315, 1937 BMW 328). Mit der Gründung der BMW Flugmotorenbau GmbH nahm BMW 1934 die Produktion von Flugmotoren wieder auf. Neben dem Doppelsternmotor BMW 801, der zu den wichtigsten deutschen Flugmotoren zählte, entwickelte BMW gemeinsam mit Junkers das erste Strahltriebwerk der Welt, das ab 1941 in dem Abfangjäger Messerschmitt Me-262 testweise zum Einsatz kam. Daneben produzierte BMW während des 2. Weltkriegs Motorradgespanne, vor allem die berühmte R75 (1941 – 1944), die ausschließlich von der Wehrmacht eingesetzt wurde.
Nach dem Ende des Krieges hielt sich BMW zunächst mit Ackergeräten, Kochtöpfen, Fahrrädern und Motorrädern über Wasser. In Eisenach lief die Produktion bereits im November 1945 wieder an, obwohl das Werk stark zerstört war. Die ersten noch aus der Vorkriegszeit stammenden Fahrzeuge (BMW 321, BMW 326, BMW 327, BMW 340, BMW R35) gingen als Reparationsleistungen an die Sowjetunion. 1946 wurde das Eisenacher BMW-Werk in die Sowjetische Aktiengesellschaft Awtowelo (AWO) eingegliedert. Da sich die Eisenacher BMW-Fahrzeuge auch international gut verkauften, klagten die Bayerischen Motoren-Werke in München gegen die Verwendung des Namens BMW. Als das Werk 1952 an die DDR zurückgegeben wurde, nannte sich die Firma VEB Eisenacher Motoren Werke (EMW). 1953 gab EMW die Produktion der BMW-Modelle zugunsten des schon 1939 entwickelten DKW F9 (IFA F9) auf, der bis dahin im Audi-Werk Zwickau gebaut worden war. Die Motorradproduktion wurde 1955 beendet, nachdem man in der DDR entschieden hatte, Zweiräder nur noch in Zschopau (ehemals DKW) und Suhl (Simson) zu bauen. Ab 1956 bekamen die Eisenacher Fahrzeuge wieder den traditionellen Namen Wartburg.
BMW in München begann erst 1951 wieder mit dem Bau von Autos. Richtig in Gang kam dieser Bereich jedoch erst Anfang der 1960er Jahre. Die BMW-Modelle der 1950er Jahre waren zwar technisch anspruchsvoll (BMW 501/502), nur hatte zu dieser Zeit kaum jemand das Geld, um diese teuren Fahrzeuge, die wegen ihrer geschwungenen Karosserie auch als »Barockengel« bekannt wurden, zu kaufen. Lediglich der spartanische Kabinenroller Isetta (1955 – 1962), ein Abkömmling der italienischen Iso, verkaufte sich recht gut. Einen vollwertigen Kleinwagen und VW-Käfer-Konkurrent brachte BMW erst 1959 mit dem BMW 700 (1959 – 1965) auf den Markt. Als Ende der 1950er Jahre auch noch die Motorradbranche von einer Krise erfasst wurde, schien es um BMW geschehen zu sein.
1959 war die Daimler-Benz AG, die bereits ein Jahr zuvor die Auto-Union GmbH (DKW) erworben hatte, drauf und dran die angeschlagene Firma zu übernehmen. Dann erwarb jedoch der Industrielle Günther Quandt (Byk-Gulden-Lomberg, Dürener Metallwerke, Varta, Wintershall), dessen Bruder Harald damals zu den Daimler-Benz-Aktionären gehörte, die Hälfte der BMW-Aktien. Das von dem italienischen Designer Giovanni Michelotti gestylte sportliche Mittelklassemodell BMW 1500 (1962 – 1972) sowie dessen zahlreiche Varianten (1600, 1800, 2000, 2000 Coupé) rettete BMW schließlich vor dem Untergang. Von diesem Modell wurden über 320.000 Exemplare produziert. Aus dem BMW 1600 entstand ab 1966 eine weitere Modellreihe, die zunächst 1600-2 hieß und ab 1971 1602 oder auch 02-Serie (wegen der zwei Türen). Die 02-Serie (1966 – 1977), von der über 824.000 Exemplare gefertigt wurden, war auch im Rennsport sehr erfolgreich.
BMW konzentrierte sich fortan nur noch auf die Auto- und Motorradproduktion. Der Triebwerksbereich (ab 1960 baute BMW die General-Electric-Triebwerke für die deutsche Lizenzvariante des amerikanischen Kampfflugzeuges Lockheed F104G Starfighter) wurde 1965 an den GHH/MAN-Konzern verkauft, der bereits seit 1960 zur Hälfte an der BMW Flugmotorenbau GmbH beteiligt gewesen war. 1969 brachten MAN (MAN Turbomotoren GmbH München) und Daimler-Benz (Maybach-Mercedes-Benz Motorenbau GmbH Friedrichshafen) ihre Motorenbauaktivitäten in ein gemeinsames neues Unternehmen ein, das als Motoren- und Turbinen-Union GmbH (MTU) firmierte. MTU München (vormals MAN Turbo) war fortan für die Produktion der Flugzeugtriebwerke zuständig, MTU Friedrichshafen fertigte Dieselmotoren (für Schiffe, Lokomotiven, Schwerfahrzeuge) sowie stationäre Stromversorgungsanlagen und Kraftübertragungssysteme.
1966 erwarb BMW die Hans Glas GmbH aus Dingolfing, eine frühere Landmaschinenfabrik, die u.a. den Motorroller Goggo (1951 – 1956), die Kleinwagen Goggomobil (1955 – 1969) und Glas Isar (1958 – 1965) sowie das Mittelklassemodell Glas 1004/1204/1304 (1962 – 1968) produzierte. Mit den größeren Modellen Glas 1300/1700 GT (1963 – 1967), Glas 1700 (1964 – 1968) und Glas 2600/3000 V8 (1966 – 1968) hatte sich die kleine Firma jedoch finanziell übernommen.
1972 präsentierte BMW erstmals die 5er Baureihe (Obere Mittelklasse). 1975 folgte die 3er Baureihe (Mittelklasse), 1977 die 7er Baureihe (Oberklasse), die direkt gegen die S-Klasse-Modelle von Mercedes-Benz antrat, und 1978 die 6er Baureihe (Oberklasse-Coupés – von 1989 bis 1999 hießen die Coupés 8er, seit 2003 wieder 6er). Mit dem von Italdesign (Giorgetto Giugiaro) gestylten Mittelmotorsportwagen M1 stieg BMW 1978 auch in die Klasse der Supersportwagen ein. Später kamen noch weitere Baureihen wie 1er (Kompaktklasse; ab 2004), 2er (ab 2012), Z (ab 1995; Sportcoupés, Roadster) und X (SUV; ab 1999) hinzu. Mit dem Buchstaben M werden die besonders leistungsstarken Modelle gekennzeichnet, für deren Entwicklung und Produktion die 1972 gegründete BMW-Tochtergesellschaft BMW M GmbH (ursprünglich BMW Motorsport GmbH) zuständig ist. Unter der Submarke BMW i vermarktet BMW seit 2013 Elektro- und Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge (i3, i8, iX).
Die Übernahme des britischen Massenherstellers Rover (Land-Rover, MG, Mini, Rover), der aus dem maroden Staatskonzern British-Leyland (Austin, Land-Rover, MG, Mini, Morris, Riley, Rover, Triumph, Wolseley) hervorgegangen war, geriet ab 1994 zum finanziellen Fiasko. Im Jahr 2000 wurde Rover (inkl. Land-Rover, MG) wieder verkauft, BMW behielt lediglich die Marke Mini und ein Werk in Oxford. 1998 erwarb BMW von dem Triebwerkskonzern Rolls-Royce die Rolls-Royce-Namensrechte für den Automobilbereich (die Autofirma Rolls-Royce/Bentley in Crewe hatte Volkswagen zuvor übernommen), die jedoch erst nach Errichtung eines neuen Werkes in Goodwood/West Sussex (2003) genutzt werden konnten, da das originale Montagewerk in Crewe/England dem Volkswagen-Konzern gehörte.
BMW betreibt Produktionswerke in München, Dingolfing (seit 1967; das Werk der zuvor übernommenen Hans Glas GmbH), Berlin-Spandau (seit 1984), Landshut (seit 1973), Regensburg (seit 1987), Eisenach (seit 1991; ein komplett neues Werk – nicht das alte Wartburg-Werk), Leipzig (seit 2005), Steyr/Österreich (seit 1979), Spartanburg/USA (seit 1992), Oxford/Großbritannien (seit 1994), Swindon/Großbritannien (seit 1994), Hamshall/Großbritannien (seit 2001), Rosslyn/Südafrika (seit 1972) und Shenyang/China (seit 2004).
Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain