Markenlexikon

Austin

Ursprungsland: Großbritannien

Herbert Austin (1866 – 1941) ging nach dem Ende seiner Schulzeit 1884 nach Melbourne/Australien, wo ein Onkel von ihm lebte. Dort arbeitete er bei verschiedenen Maschinenbaufirmen; nebenbei besuchte er eine Kunstschule, wo er das Zeichnen erlernte. Ab 1887 war er bei der Wolseley Sheep Shearing Machine Company in Sydney, einem Hersteller von Schafschermaschinen, angestellt. 1893 kehrten Austin und der aus Irland stammende Gründer Frederick York Wolseley (1837 – 1899) nach Großbritannien zurück, wo sie in Birmingham eine eigene Fabrik aufbauten, die neben Schermaschinen auch Fahrräder herstellte. Wolseley verließ seine Firma bereits ein Jahr später. Zwischen 1895 und 1899 baute Austin in seiner Freizeit einige drei- und vierrädrige Automobile, die heute als erste britische Autos überhaupt gelten. Eines dieser Fahrzeuge, die 1899 gebaute Voiturette, nahm die Wolseley Sheep Shearing Machine Company im Jahr 1900 in ihren Katalog auf, doch die Verantwortlichen im Woolseley-Aufsichtsrat glaubten nicht, dass Automobile in absehbarer Zeit ein lukratives Geschäft werden könnten und so verkauften sie diesen Geschäftszweig 1901 an den Stahl- und Waffenkonzern Vickers, der daraufhin die Wolseley Tool & Motor Company mit Herbert Austin als Geschäftsführer ins Leben rief. Als Austin das Unternehmen 1905 verließ, um seine eigene Firma zu gründen, war Wolseley der größte britische Automobilhersteller. Bis dahin hatten rund 1500 Wolseley-Autos die Fabrik in Adderley Park/Birmingham verlassen.

Gemeinsam mit seinem Bruder Harry und einigen Wolseley-Mitarbeitern gründete Austin 1905 in einer früheren Farbenfabrik in Longbridge bei Birmingham die Austin Motor Company. Finanziert wurde das neue Unternehmen u.a. von dem Stahlmagnaten Frank Kayser, der Midland Bank und William Harvey du Cros, der bereits an der Gründung des Reifenherstellers Dunlop beteiligt gewesen war. Im ersten Jahr produzierte Austin 31 Autos, die bis auf den Motor mit den französischen Clément-Gladiator-Autos identisch waren, was daran lag, dass diese Fahrzeuge in Austins Fabrik für den englischen Markt zusammengebaut wurden (Harvey du Cros war gleichzeitig auch Clément-Gladiator-Importeur). Anfang 1914, als Austin an die Börse ging, bot das Unternehmen bereits eine breite Palette von Automobilen an, u.a. Limousinen, Tourer, Landaulettes und Coupés mit unterschiedlichen Motoren, außerdem kleinere Transporter und leichte Lastwagen.

Während des 1. Weltkriegs wurde die Longbridge-Fabrik in die Kriegsproduktion eingebunden (u.a. Lastwagen, Geschütze, Munition, Granaten, Flugzeuge), doch nach dem Ende des Krieges war das riesige Werk nicht mehr genügend ausgelastet, sodass es 1921 zur Insolvenz der Austin Motor Company kam. Herbert Austin trat als Geschäftsführer zurück, blieb aber bis zu seinem Tode Vorsitzender des Aufsichtsrats.

Der Durchbruch gelang Austin 1922 mit dem preiswerten und robusten Kleinwagen Austin Seven. Dieses Modell wurde auch in mehreren Ländern in Lizenz gefertigt (von BMW/Dixi in Deutschland, Datsun/Nissan in Japan, Bantam in den USA und Rosengart in Frankreich) und in Großbritannien gehörte es bis zu seiner Produktionseinstellung 1939 zu den beliebtesten Autos der damaligen Zeit. Während des 2. Weltkriegs produzierte Austin wieder hauptsächlich Lastwagen, Ambulanzfahrzeuge und Geländewagen, außerdem Avro-Lancaster-B-Bomber.

1946 erwarb Austin den Karosseriehersteller Vanden Plas aus Kingsbury, der 1870 von dem Schmied Guillaume van den Plas in Brüssel gegründet worden war. Die seit 1913 bestehende britische Vanden-Plas-Niederlassung, die zu dieser Zeit keine Verbindung mehr zur belgischen Mutterfirma unterhielt, hatte in den 1930er Jahren Karosserien für eine ganze Reihe britischer Autohersteller gefertigt (Alvis, Armstrong-Siddeley, Bentley, Daimler, Lagonda, Rolls-Royce, Talbot). Aus der Zusammenarbeit von Austin (Fahrgestell, Motor) und Vanden Plas (Karosserie) entstanden die großen Luxuslimousinen Austin A120 Princess (1946 – 1956), Austin A135 Princess (1947 – 1956) und Princess IV (1956 – 1959). Montiert wurden diese Fahrzeuge bei Vanden Plas in Kingsbury.

Austin
Austin

1951/1952 schlossen sich die beiden großen britischen Rivalen Austin und die Nuffield Organisation aus Oxford, zu der MG (Morris Garages), Morris Motors, Riley und Wolseley gehörten, zur British Motor Corporation (BMC) zusammen. Chef des neuen Unternehmens wurde Leonard Percy Lord (1896 – 1967), der beide Unternehmen gut kannte: von 1932 bis 1938 war er Geschäftsführer von Morris Motors gewesen, anschließend ging er zu Austin, wo er 1946 Chef wurde.

Die Nuffield Organisation war 1943 von William Richard Morris, 1st Viscount Nuffield (1877 – 1963) als Holdinggesellschaft für seine Autofirmen Morris Motors (1919 von W.R. Morris gegründet), Wolseley (1917 von W.R. Morris gekauft), Riley (1938 von W.R. Morris gekauft), Morris Commercial Cars (1924 von W.R. Morris gegründet) und MG (seit 1924 Marke von Morris Motors) gegründet worden. Morris Motors war mit seinen Kleinwagen (1913 – 1926 Oxford, 1915 – 1958 Cowley, 1928 – 1934 Minor, 1935 – 1948 Morris Eight, 1948 – 1971 Morris Minor) in einem ähnlichen Segment angesiedelt wie Austin. Die BMC-Fahrzeuge, die fortan in den Werken Longbridge (Austin), Cowley/Oxford (Morris), Kingsbury (Vanden Plas), Abingdon (MG), Adderley Park/Birmingham (Morris Commercial) und Zetland/Sydney (Australien) vom Band liefen, wurden unter verschiedenen Marken wie Austin, Austin-Healey, Morris, MG, Riley, Vanden Plas und Wolseley verkauft, obwohl die Unterschiede zwischen den Modellen oft nur marginaler Natur waren (Grill, Markensymbole, Ausstattung). Die frühere Produktionsstätte von Riley in Coventry war bereits nach dem Ende des 2. Weltkriegs aufgegeben worden und das Wolseley-Werk in Adderley Park nutzte Morris Commercial Cars, die Nutzfahrzeugsparte der Nuffield-Organisation, bereits seit 1932. Die Riley- und Wolseley-Modelle wurden in den Werken Cowley und Abingdon gebaut.

Der große Wurf gelang BMC mit einem Kleinwagen, der 1959 als Austin Seven und Morris Mini Minor das Licht der Welt erblickte. Dieses Fahrzeug war die indirekte Folge der Suezkrise, die in ganz Europa zu einer drastischen Verknappung des Benzins geführt hatte. Daher wollte BMC einen billigen und vor allem verbrauchsarmen Kleinwagen für den Massenmarkt. Konstrukteur Alec Issigonis (1906 – 1988) bastelte schließlich aus dem BMC-Baukasten ein Wägelchen, das aus vielen Zwängen heraus so aussehen musste, wie es dann auch aussah. Die büchsenförmige Karosserie mit den winzigen Zehn-Inch-Rädern an den äußersten Ecken und die Gummikegelaufhängung, die eine hervorragende Straßenlage ermöglichten, entstanden aus schierem Platzmangel. Auch der quer eingebaute 848-Kubikzentimeter-Motor mit 33 PS, der den Mini bis auf 115 km/h beschleunigte, war eine Neuheit. 1961 taufte BMC den Seven/Mini Minor offiziell in Mini um.

Neben Kleinwagen und einigen großen Limousinen (u.a. 1938 – 1939 Austin Twenty Eight, 1947 – 1954 Austin Sheerline, 1950 – 1954 Austin A70 Hereford, 1954 – 1968 Austin Westminster) baute BMC vor allem kompakte Fahrzeuge wie den BMC ADO16 (1962 – 1974 Austin 1100/1300, MG 1100/1300, Morris 1100/1300, Riley Kestrel/1300, Vanden Plas Princess 1100/1275/1300, Wolseley 1100/1275/1300) und den BMC ADO17 (1964 – 1975; Austin 1800, Morris 1800, Wolseley 18/85, Wolseley Six).

John Cooper (1923 – 2000), der zusammen mit seinem Vater Charles den Rennwagenhersteller Cooper Car Company betrieb und mit Alec Issigonis befreundet war, entwickelte 1961 für die British Motor Corporation eine Rallyeversion des Mini. Die Modifikationen betrafen vor allem den Motor, den Vergaser, das Getriebe und die Bremsen. Der Hubraum wurde von 848 cm3 auf 997 cm3 erhöht, wodurch die Leistung von 34 auf 55 PS (25 auf 41 kW) stieg, als Vergaser kamen Doppelvergaser von S.U. (Skinner Union) zum Einsatz, das Getrieb erhielt eine engere Übersetzung und die herkömmlichen Trommelbremsen wurden vorne durch Scheibenbremsen ersetzt. 1963 kam eine noch stärkere Variante mit einen 1071-cm3-Motor heraus (Mini Cooper S). Der Mini Cooper, der von 1961 bis 1971 produziert wurde, war außerordentlich erfolgreich im Motorsport, u.a. gewann er dreimal die Rallye Monte Carlo (1964, 1965, 1967). John Cooper erhielt für jedes der knapp 107.000 gebauten Exemplare von BMC 2 Pfund. Nachdem British-Leyland die Produktion des Mini Cooper 1971 aus finanziellen Gründen eingestellt hatte, verkaufte John Cooper mit seiner neuen Firma John Cooper Garages (Ferring) weiterhin Tuning Kits für den Mini. Der Mini Cooper wurde erst 1990 von der Rover Group, dem Nachfolger des British-Leyland-Konzerns, wieder reanimiert.

Gemeinsam mit dem Autokonstrukteur Donald Healey (1898 – 1988) entwickelte BMC mehrere Sportwagen, die als Austin-Healey vermarktet wurden: Austin-Healey 100 (1953 – 1956), Austin-Healey Sprite (1958 – 1971) und Austin-Healey 3000 (1959 – 1967). Montiert wurden diese Modelle in Longbridge, Cowley, Abingdon, West Bromwich (Jensen-Werk; Karosserien) und Enfield (Australien; Werk der Leyland-Tochter PMC Pressed Metal Corporation).

Von 1929 bis 1982 produzierte Austin/BMC/BL verschiedene Modelle der bekannten schwarzen Londoner Taxis, wobei diese Fahrzeuge ab 1948 von der Firma Carbodies in Coventry montiert und mit eigenen Karosserien ausgestattet wurden. Von Austin stammten lediglich das Fahrgestell und der Motor. 1982 übernahm Carbodies (heute London Taxi Company) diese Sparte von British Leyland vollständig.

Unter den Namen Austin, Morris und BMC wurden auch Transporter, Kleinbusse und Lastwagen vermarktet, die in den Werken Longbridge (Austin), Adderley Park (bis 1971) und Bathgate/Schottland (ab 1960) vom Band liefen. Der Austin/Leyland Sherpa, ein Transporter der 1975 auf den Markt kam, erhielt 1976 den Namen Freight-Rover und wurde von einem Nachfolgeunternehmen des British-Leyland-Konzerns bis 2006 unter den Namen LDV Convoy/Pilot weitergebaut.

1966 erwarb BMC den Sportwagenhersteller Jaguar Cars (inkl. Daimler und Coventry-Climax) und benannte sich anschließend in British Motor Holdings (BMH) um. Bereits 1968 kam es zu einer weiteren Fusion, als sich BMH mit dem Lastwagenhersteller Leyland Motor Corporation aus der gleichnamigen Stadt in Lancashire, dem auch Alvis, Rover/Land-Rover und Standard-Triumph gehörten, zur British Leyland Motor Corporation zusammenschloss.

Austin
Austin

In den 1970er Jahren produzierte British Leyland verschiedene Mittelklassemodelle wie den Austin Maxi/Leyland Maxi (1969 - 1981), den Austin Allegro/Vanden Plas 1500/1.5/1.7 (1973 – 1982), den Morris Marina (1971 – 1980) und den Triumph Dolomite (1972 – 1980), die vor allem durch mangelhafte Qualität und veraltete Technik negativ auffielen. Nicht viel besser war der außergewöhnlich schnittige Rover SD1 (1976 – 1986), dessen Verkaufszahlen aber aufgrund seiner vielen Qualitätsmängel weit hinter den Erwartungen zurückblieben.

Die Ölkrise Anfang der 1970er Jahre, langwierige Streiks, gravierende Qualitätsmängel und Markenverwässerung im Pkw-Bereich setzten dem Konzern jedoch schwer zu. Ende 1974 war British Leyland pleite und musste im Jahr darauf verstaatlicht werden (British Leyland Limited, ab 1978 BL Limited).

1979, als die konservative Thatcher-Regierung an die Macht kam, machte man sich in staatlichen Kreisen zunehmend Gedanken über eine Privatisierung des maroden BL-Konzerns. 1982 wurde BL in drei Bereiche aufgeteilt: Austin-Rover Group Limited (Austin, Land-Rover, MG, Mini), Jaguar Cars Limited und Leyland Vehicles Limited (Nutzfahrzeuge, Busse). Jaguar schied 1984 aus dem Konzern aus (Platzierung an der Börse; 1989 Übernahme durch Ford). 1987 kaufte DAF Trucks (Niederlande) Leyland Vehicles; die Busproduktion wurde erst vom Management übernommen und 1988 an Volvo veräußert. Mit der Umbenennung der BL Limited in Rover Group Limited endete 1986 die Existenz des British-Leyland-Konzerns. Dass man den Namen Austin wegfallen ließ, lag vor allem daran, dass er bei den Kunden ein schlechteres Image hatte als Rover.

Die Marken Riley (1969), Wolseley (1975), Triumph (1984) und Morris (1984) waren bereits in den Jahren zuvor aufgegeben worden, MG wurde nur noch als Zusatzbezeichnung für sportlich ausgestattete Austin- bzw- Rover-Fahrzeuge verwendet, ähnlich wie Vanden Plas für höherwertig ausgestattete Varianten, Alvis – inzwischen nur noch ein Hersteller von Armeefahrzeugen – war 1981 verkauft worden und Mini hatte seit 1969 den Status einer eigenständige Marke.

Die letzten Fahrzeuge, die unter der Marke Austin verkauft wurden, waren der Kleinwagen Austin Metro (1980 – 1997), der sich in Großbritannien sehr gut verkaufte, sowie die Mittelklassemodelle Austin Maestro (1983 – 1995) und Austin Montego (1984 – 1995). Diese Modelle kamen nach der Umbenennung der Austin-Rover Group als Rover in den Handel.

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Pixabay.com, Public Domain