Markenlexikon

Atari

Ursprungsland: USA

Obwohl Atari-Gründer Nolan Kay Bushnell (* 1943) heute oftmals als »Vater der Computerspiele« bezeichnet wird, ist er keineswegs deren Erfinder. Sein Verdienst lag eher darin, diese neue Unterhaltungsart zur Marktreife entwickelt zu haben. Bereits 1951 hatte der in Deutschland geborene TV-Ingenieur Ralph Henry Baer (1922 – 2014), der damals bei der New Yorker Firma Loral Electronics arbeitete, die Idee, das Fernsehgerät zur Spielmaschine umzufunktionieren. Seine Chefs konnten mit dieser Vision aber nicht viel anfangen, sodass die ganze Sache bald wieder in Vergessenheit geriet. In den 1950er und 1960er Jahren entstanden meist an staatlichen Forschungslaboratorien und Universitäten, die über Großrechenanlagen verfügten, die ersten einfachen Computerspiele (u.a. 1952 das Tic-Tac-Toe-Spiel »OXO«, 1958 »Tennis For Two«, 1962 »Spacewar!«), die den Ingenieuren nicht nur als Zeitvertreib, sondern auch zum Testen neuer Computer dienten. 1968 griff Ralph Baer seine alte Idee wieder auf und baute das erste Videospielgerät, das man an den Fernseher anschließen konnte. Der kalifornische Elektrokonzern Magnavox, der die Herstellungsrechte 1971 von Baer erwarb, zeigte diese Spielkonsole mit dem Namen »Odyssey Home Entertainment System« kurze Zeit später auf verschiedenen Ausstellungen. In den Handel kam sie 1972.

Im gleichen Jahr gründete der Elektrotechniker und frühere Ampex-Angestellte Bushnell, der zuvor ein Klon des Computerspiels »Spacewar!« für große Münzspielautomaten entwickelt hatte (»Computer Space«), mit Samuel Frederick (Ted) Dabney (1937 – 2018), der ebenfalls bei Ampex tätig gewesen war, in Sunnyvale/California eine eigene Firma namens Syzygy Engineering, die aber schon kurze Zeit später in Atari umbenannt wurde. Der Name Atari (jap. »Ich werde gewinnen«) ist ein Begriff aus dem japanischen Brettspiel »Go« und hat in etwa die gleiche Bedeutung wie das Wort »Schach« beim Schachspiel. Auch das von dem Grafikdesigner George Opperman entworfene Logo hatte ein japanisches Vorbild: den höchsten Berg Japans, den Fujiyama. Alles in allem konnte man denken, dass es sich bei Atari um eine japanische Firma handelt, was durchaus auch beabsichtigt war, standen doch japanische Unternehmen damals in dem Ruf, hervorragende High-Tech-Produkte herzustellen. Ted Dabney verließ das Unternehmen schon 1973 wieder, nachdem er sich mit Bushnell über den weiteren Kurs des Unternehmens zerstritten hatte.

Atari brachte nun einen Münzautomaten mit dem Ping-Pong-Spiel »Pong« auf den Markt, das der Atari-Angestellte Allan Alcorn ursprünglich nur zu Übungszwecken programmiert hatte. »Pong« war im Prinzip eine Variante von »Tennis For Two«, das von dem amerikanischen Physiker William Higinbotham bereits 1958 am Brookhaven National Laboratory entwickelt worden war. Ein ähnliches Spiel gehörte auch zum Lieferumfang der Odyssey-Konsole, was bald zu gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Magnavox führte. Denn Magnavox konnte anhand eines Gästebuchs beweisen, dass Bushnell das patentgeschützte Odyssey-Spiel im Frühjahr 1972 während einer Austellung gesehen und sogar gespielt hatte. Die erste »Pong«-Maschine wurde zum Test in einer Bar in Sunnyvale aufgestellt. Doch schon ein paar Tage später rief der Besitzer bei Atari an und meldete den Ausfall des Gerätes. Als sich ein Atari-Mitarbeiter den Automaten anschaute, stellte er fest, dass lediglich der Vorratsbehälter für die Münzen übervoll war. Das Zeitalter der Videospiele hatte begonnen.

Atari brachte nun zahlreiche weitere Automaten und Automatenspiele wie »Space Race« (1973), »Pong Doubles« (1973), »Gotcha« (1973), »Elimination« (1973), »Rebound« (1974), »Super Pong« (1974), »World Cup« (1974), »Gran Trak 10« (1974), »Twin Racer« (1974), »Touch Me« (1974), »Tank« (1974), »Pursuit« (1975), »Hi-way« (1975), »Shark Jaws« (1975), »Jet Fighter« (1975) oder »Outlaw« (1975) heraus. Der große Durchbruch kam 1975, als der Warenhauskonzern Sears Ataris »Home-Pong«-Konsole in seinen Katalog aufnahm und landesweit verkaufte. Weihnachten 1975 avancierte »Home-Pong« zum absoluten Renner. Allerdings musste Atari nun Lizenzgebühren an Magnavox zahlen.

Da Atari für den Aufbau des Konsolengeschäfts zusätzliches Kapital benötigte, spielte Bushnell mit dem Gedanken, das Unternehmen an die Börse zu bringen. Dann versuchte er es an die Unterhaltungskonzerne MCA/Universal und Walt Disney zu verkaufen, was aber ebenfalls fehlschlug. Schließlich griff 1976 Warner Communications (Warner Bros.) zu. Bushnell blieb noch bis 1978 in leitender Position bei Atari, dann verstritt er sich jedoch mit dem Warner-Management und verließ das Unternehmen. Atari brachte nun mit der finanziellen Rückendeckung des Mediengiganten aus Hollywood ein erfolgreiches Spiel nach dem anderen auf den Markt – für die eigenen Homekonsolen, die großen Münzspielautomaten und später auch für die Home-Computer. Spiele wie »Asteroids«, »Battlezone«, »Breakout«, »Centipede«, »E.T.«, »Football«, »Lunar Lander«, »Missile Command«, »Star Raiders«, »Star Wars«, »Superman« oder »Tempest« wurden zwischen 1977 und 1983 zu Verkaufsschlagern und die ab 1977 produzierte Videospielkonsole Atari VCS (Video Computer System; ab 1982 Atari 2600), deren Produktion erst Ende 1991 eingestellt wurde, entwickelte sich zu einem der langlebigsten Heimvideospiel-Systeme.

Atari
Atari

1977 begann Atari mit der Entwicklung von Micro-Computern, wie die kleinen Desktop-Rechner und späteren Personal Computer, die ab Mitte der 1970er auf den Markt kamen, damals noch genannt wurden. Da die Geräte von Atari, Commodore, Imsai, RadioShack/Tandy oder Sinclair speziell für Privatanwender gedacht waren (im Gegensatz zu Computern von Apple, Digital oder IBM), bürgerte sich bald die Bezeichnung Home-Computer ein, während die für Büroanwendungen konzipierten Computer mit der Einführung des IBM-PC 1981 Personal Computer genannt wurden.

Die ersten Atari-Computer kamen Ende 1979 auf den US-Markt (in Europa ab 1981). Die in einem Werk in Sunnyvale produzierte 400/800-Serie basierte auf dem 8-Bit-Mikroprozessor MOS MC S6502, der u.a. auch von Apple und Commodore verwendet wurde (MOS Technology war damals eine Commodore-Tochter). 1982 folgte die XL-Serie (600XL, 800XL, 1200XL), die mit dem Commodore 64 und dem Sinclair Spectrum konkurrierte, und 1985 kamen die verbessersten XE-Modelle (65XE, 800XE, 130XE) auf den Markt. Obwohl Atari ab 1985 auch 16-Bit-Computer herstellte, blieben die 8-Bit-Modelle bis 1992 in Produktion.

In den 1980er Jahren gehörte Atari zu den weltweit führenden Herstellern von Spielkonsolen und Home-Computern. 1982 beschäftigte das Unternehmen im Silicon Valley, vor allem in Sunnyvale und der Umgebung, rund zehntausend Mitarbeiter in über fünfzig Büros, Entwicklungsabteilungen und Produktionsstätten, wo Münzspielautomaten, Spielkonsolen, Home-Computer sowie Spiele und Software entwickelt und produziert wurden. Wie auch Apple platzierte Atari seine Home-Computer gezielt in öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen, in der Hoffnung, dass die Schüler und Studenten später auch privat Atari-Geräte kaufen würden.

Der Videospiel-Crash von 1983/1984 führte jedoch dazu, dass Warner das Consumer-Geschäft von Atari an den Commodore-Gründer Jack Tramiel (1928 – 2012) bzw. seine Firma Tramiel Technology verkaufte, die sich anschließend in Atari Corporation umbenannte. Kurz zuvor hatte Tramiel nach Meinungsverschiedenheiten mit dem Aufsichtsrat, der von dem Großaktionär Irving Gould dominiert wurde, Commodore verlassen müssen. Die Sparte Automaten-Spiele (Arcade Games), die vom zeitweisen wirtschaftlichen Zusammenbruch der Videospiel-Industrie nicht betroffen war, blieb bei Warner und wurde zunächst in Atari Games und 1994 in Time-Warner Interactive umfirmiert. 1996 verkaufte Time-Warner dieses Geschäftsfeld an WMS Industries (Williams, Bally/Midway). Der Videospielmarkt erholte sich erst Ende der 1980er Jahre wieder.

Atari spezialisierte sich nun auf Home-Computer, die sich nicht nur bei Spielfreaks, sondern wegen ihrer MIDI-Fähigkeit (digitale Schnittstelle für Musikinstrumente) auch bei Musikern und Tonstudios großer Beliebtheit erfreuten. Besonders die 16-Bit-Computer der ST-Serie (SixTeen), die 1985 als Konkurrenzprodukt zum Apple Macintosh und Commodore Amiga ins Rennen gingen, fanden aufgrund ihres niedrigen Preises und der guten Ausstattung (Motorola-MC 68000-Prozessor; 8 MHz; 512 KB RAM; 192 KB ROM; Monochrom- oder Farbmonitor mit 640 x 400 Punkten; 3,5-Disketten-Laufwerk mit 720 Kilobyte; CD-ROM-Laufwerk; grafische Benutzeroberfläche; Maus; Laserdrucker; MIDI-Schnittstelle) vor allem in Europa weite Verbreitung (Slogan: »Power without the price.«).

Die leistungsstärkeren IBM-kompatiblen Personal Computer mit Intel-Prozessoren und Microsoft-Software (MS-DOS, Windows), die in den späten 1980 Jahren ihren weltweiten Siegeszug antraten, machten jedoch das Geschäft mit den Home-Computern immer schwieriger. Obwohl Atari ab 1988 auch Personal Computer auf den Markt brachte, konnte sich das Unternehmen in diesem Bereich nicht durchsetzen. 1994 verabschiedete sich Atari schließlich aus dem Computergeschäft; im gleichen Jahr musste auch Commodore Insolvenz anmelden.

Bei den Atari-Konsolen (u.a. 1989 Lynx, 1991 Panther, 1993 Jaguar) sah es nicht viel besser aus. Gegen die starke Konkurrenz von Nintendo, Sony und Sega hatten sie kaum noch eine Chance, was keineswegs an der Leistungsfähigkeit der Geräte lag, sondern vielmehr daran, dass Jack Tramiel meinte, für gute Produkte brauche man keine Werbung zu machen. Diese Fehleinschätzung war auch schon Commodore zum Verhängnis geworden. 1996 verkaufte Tramiel Atari an den erst zwei Jahre zuvor gegründeten Festplattenhersteller JTS (Jugi Tandon Systems), der die Namensrechte, Patente und Copyrights 1998 an den US-Spielzeugkonzern Hasbro (MB, Monopoly, Play Doh, Playskool, Tonka) weiterreichte.

Im Jahr 2000 erwarb der französische Spiele-Publisher Infogrames Entertainment aus Lyon (»Alone In The Dark«) das Softwaregeschäft von Hasbro (Hasbro Interactive) und damit auch Atari und MicroProse (»Civilization«, »Grand Prix«, »Railroad Tycoon«, »X-COM«). Infogrames hatte bereits kurz zuvor die Spiele-Publisher Accolade (»Bubsy«, »Deadlock«, »HardBall«, »Jack Nicklaus«, »Star Control«, »Test Drive«), GT Interactive (»Doom«, »Deer Hunter«, »Driver«, »Duke Nukem«, »Oddworld«, »Quake«, »Unreal Tournament«), Paradigm Entertainment (»Aero Fighters Assault«, »Beetle Adventure Racing«, »F-1 World Grand Prix«, »Indy Racing 2000«, »Pilotwings 64«) und das Psygnosis-Entwicklerstudio in Paris übernommen. 2003 benannte Infogrames zunächst seine US-Tochter in Atari um; seit 2009 firmiert auch die französische Muttergesellschaft unter dem Namen Atari.

Atari entwickelt und vermarktet weiterhin Spiele für Desktop-Rechner (MacOS, Windows), Videospielkonsolen (Nintendo, PlayStation, XBox) und Mobilgeräte (Android, iOS), außerdem seit 2004 auch Retro-Konsolen (Atari Flashback, Atari VCS).

Text: Toralf Czartowski • Fotos: Unsplash.com, Pixabay.com, Public Domain