Markenlexikon

Ariel / Tide

Ursprungsland: USA

Cincinnati, im US-Bundesstaat Ohio, war Mitte des 19. Jahrhunderts neben Chicago eines der großen Zentren der US-Fleischindustrie. Knochen und Fett – die Grundstoffe für Seifen und Kerzen – gab es im Überfluss. Hier gründeten der englische Kerzendreher William Procter (1801 – 1884) und der irische Seifensieder James Gamble (1803 – 1891) 1837 eine gemeinsame Firma. Eines der ersten Produkte waren Kerzen der Marke Star Candles sowie 1879 eine für damalige Zeiten außergewöhnliche weiße Universalseife (zum Wäschewaschen und zur Körperreinigung), die deswegen den Namen Ivory (engl. Elfenbein, elfenbeinweiß) erhielt. Entwickelt hatte sie Gründersohn James Norris Gamble, ein ausgebildeter Chemiker. Den Namen ließ sich William Procters Sohn Harley einfallen, nachdem er beim Sonntagsgottesdienst in der Bibel auf die Textzeile »out of ivory palaces« gestoßen war. Weil man bei der Herstellung gepfuscht hatte und die Seife zuviel Lufteinschlüsse enthielt, schwamm sie auf dem Wasser, was sich im Nachhinein als sehr verkaufsfördernd erwies. Ivory markierte auch den Beginn des endlosen Weiß- und Reinheitswahns in der Werbung, den Procter & Gamble und andere Waschmittelhersteller bis heute immer wieder aufs Neue zelebrieren.

In den 1920er Jahren kam Procter & Gamble auf die Idee, für die Ivory-Seife keine herkömmlichen Anzeigen in den Zeitungen zu schalten, sondern eine Fortsetzungs-Fotogeschichte mit einer fiktiven Familie, die während der meist rührseligen Handlung ständig Ivory-Seife benutzte. Später wurden diese Bildgeschichten auch für das Radio und das gerade aufkommende Fernsehen adaptiert. Die 15-minütigen Miniserien erfreuten sich in den 1930er Jahren großer Beliebtheit und der Umsatz der entsprechenden Produkte stieg in unglaubliche Höhen. Bald wurden diese Werbesendungen in der Umgangssprache nur noch als Soap-Operas (Seifenopern) bezeichnet.

Bis zu dieser Zeit diente Seife nicht nur zur Körperreinigung und zum Haarewaschen, sondern auch zum Wäschewaschen – meist in Form von Seifenflocken (Flakes), was bedeutete, dass die Wäsche kräftig geschrubbt werden musste. Außerdem bildete die Seife mit den Härtebildnern des Wassers unlösliche Kalzium- und Magnesium-Salze, die zur Verringerung der Waschkraft und zur Gewebevergilbung führten. Zwar gab es bereits selbsttätige Waschmittel wie beispielsweise Henkels Persil, aber auch sie enthielten neben Bleich- und Entkalkungsmitteln (Perborat, Silikat, Soda, Wasserglas) noch einen hohen Anteil Seife. Das erste vollsynthetische, seifenfreie Waschmittel der Welt wurde 1929 von dem deutschen Chemiker Dr. Heinrich Gottlob Bertsch, einem Angestellten der Chemiefabrik Hermann Theodor Böhme AG aus Chemnitz-Kappel (Böhme Chemie gehörte ab 1935 zu Henkel), auf der Grundlage von Fettalkoholsulfaten entwickelt. 1933 kam es unter dem Handelsnamen Fewa (= FEinWAschmittel) auf den Markt.

Im gleichen Jahr brachte auch Procter & Gamble in den USA ein synthetisches Waschmittel heraus (Dreft). Beide, Dreft und Fewa, waren jedoch nur für leicht verschmutzte Wäsche geeignet, zumal es sich bei Fewa um ein Feinwaschmittel handelte (Waschtemperatur: 30°C). Erst mit dem 1943 von Procter & Gamble entwickelten synthetischen Waschmittel Tide (engl. Gezeiten) konnte auch stark verschmutzte Wäsche befriedigend gereinigt werden (Temperaturbereiche von 20°C bis 95°C). Der Erfolg dieses neuen Waschmittels, das im Oktober 1946 auf den Markt kam, war durchschlagend. Tide wurde innerhalb weniger Jahre zum erfolgreichsten Waschmittel der USA und Procter & Gamble zu einem der weltgrößten Hersteller von Wasch- und Reinigungsmitteln sowie Körperpflegeartikeln (u.a. Ace, Always, Ariel/Tide, Bounce, Bounty, Camay, Charmin, Comet, Crest, Dash/Daz, Fairy/Dawn, Febreze, Ivory, Lenor/Downy, Luvs, Meister Proper/Mr. Clean, Pampers, Prell Shampoo, Swiffer, Vizir). In vielen anderen Ländern wurde Tide später unter dem Namen Ariel (nach dem jüdischen Engel des Wassers und des Windes) eingeführt – in Deutschland 1967.

Wenn man auf die Anfänge der Marke zurückblickt, hat der später in Deutschland verwendete Werbeslogan »Ariel wäscht nicht nur sauber, sondern rein« durchaus seine Berechtigung. Im deutschen Fernsehen wurde Ariel viele Jahre lang von der Schauspielerin und Tänzerin Johanna König (1921 – 2009) alias Klementine beworben (1968 bis 1984, 1993 bis 1996), die den Zuschauern mit weißer Schirmmütze, weißer Latzhose, rot-weiß kariertem Hemd und markanter Stimme erklärte, wie rein Ariel wäscht und dass das gute Pülverchen in den Hauptwaschgang gehört. Zum Dank für ihre Dienste erhielt sie von Procter & Gamble einen PR-Vertrag auf Lebenszeit und natürlich Gratis-Ariel.

Text: Toralf Czartowski