Markenlexikon

Aramco

Ursprungsland: Saudi-Arabien

Die Standard Oil Company of California (SOCAL), die heutige Chevron Corporation, führte 1932 in Bahrein die ersten erfolgreichen Ölbohrungen auf der arabischen Halbinsel durch. Zuvor war man davon ausgegangen, dass es in dieser Gegend kein Öl gibt. Die Briten verfügten zudem über genug Öl aus Persien (Iran) und dem Irak, wo sie mit den Gesellschaften Anglo-Persian Oil Company (APOC; später BP) und der Turkish Petroleum Company (APOC, Shell, Total; später Iraq Petroleum Company) tätig waren. 1933 erwarb die SOCAL vom damaligen König Abd al-Aziz ibn Saud eine sechzig Jahre laufende Konzession zur Ölförderung in Saudi-Arabien. Das Zustandekommen dieses Vetrags hing damit zusammen, dass dem Königshaus durch die Weltwirtschaftkrise und dem dadurch stark reduzierten Pilgerstrom nach Mekka eine wichtige Einnahmequelle weggebrochen war. Beide Seiten vereinbarten eine Einmalzahlung von 250.000 US-Dollar, eine jährliche Zahlung von 25.000 US-Dollar und einen Dollar pro geförderter Tonne Erdöl.

Die SOCAL gründete daraufhin die Tochtergesellschaft California Arabian Standard Oil Company (CASOC), die die Exploration übernahm. 1935 begannen die Bohrarbeiten in der Nähe des kleinen Fischerdorfs Dammam unter schwierigen Bedingungen (hohe Temperaturen, Sandstürme, fehlende Infrastruktur). Da man zunächst nicht fündig wurde und die Finanzreserven der SOCAL nicht ewig reichten, suchte man sich 1936 einen Partner, die Texas Oil Company (Texaco), die fünfzig Prozent der CASOC-Anteile übenahm. Anfang 1938 spielten die SOCAL-Manager mit dem Gedanken, die Suche wieder einzustellen. Max Steineke (1898 – 1952), seit 1934 der Chefgeologe der CASOC, blieb jedoch hartnäckig und bohrte immer tiefer, bis er schließlich im März 1938 an der Bohrstelle Dammam No. 7 bei über 1400 Meter auf Öl stieß. Im Mai 1939 holte der erste Öltanker seine Ölladung in Dhahran, fünfzehn Kilometer südlich von Dammam, ab. Damit begann der Aufstieg Saudi-Arabiens zum führenden Erdölproduzenten der Welt.

1944 änderte die CASOC ihren Namen in Arabian American Oil Company (ARAMCO). 1948 kamen zwei neue Anteilseigner hinzu: die Standard Oil Company of New Jersey (Esso; später Exxon) und Socony-Vacuum (später Mobil). Im gleichen Jahr entdeckte ARAMCO im Nordosten des Landes das Ölfeld Ghawar, das 1951 die reguläre Förderung aufnahm. Zur gleichen Zeit machte man das weltgrößte Offshore-Ölfeld in Safaniya ausfindig.

Als der König 1950 damit drohte, die Ölindustrie zu verstaatlichen, einigten sich beide Seiten schließlich darauf, die Gewinne fortan gerechter aufzuteilen: Saudi-Arabien bekam nun 50 Prozent, ebenso wie die beteiligten US-Firmen. Zum Ausgleich gewährte die US-Regierung den Ölkonzernen SOCAL, Texaco, Standard Oil New Jersey und Socony-Mobil Steuernachlässe. Gleichzeitig wurde der ARAMCO-Firmensitz von New York nach Dhahran verlegt.

Da in den 1950er Jahren der Ölpreis wegen der Erschließung immer neuer Quellen standig sank, was in den Staatskassen der Ölförderländer zu großen Verlusten führte, regte Saudi-Arabien die Gründung eines Förderkartells an. 1960 wurde schließlich die Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC) mit Sitz in Bagdad (ab 1965 Wien) gegründet. Beteiligt waren zunächst die Staaten Irak, Iran, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela, später kamen noch weitere Länder hinzu (1961 Katar, 1962 Indonesien und Libyen, 1967 die Vereinigten Arabischen Emirate, 1969 Algerien, 1971 Nigeria, 1973 Ecuador, 1975 Gabun). Damit konnten die wichtigsten Ölförderländer die Förderquoten und damit die Preise selbst bestimmen. Ziel der OPEC war es, einen stabilen Ölmarkt sicherzustellen und dadurch stetige Gewinne zu generieren. Die Gründung der OPEC beendete die Übermacht der internationalen Ölkonzerne wie Amoco, BP, Chevron, Exxon/Esso, Gulf, Mobil, Shell, Texaco und Total, die bis dahin weitesgehend alleine über Förderquoten und Preise bestimmt hatten.

Zur Koordinierung der Arabischen Ölindustrie gründeten Kuwait, Libyen und Saudi-Arabien 1968 die Organization of Arab Petroleum Exporting Countries (OAPEC) mit Sitz in Beirut (heute Kuwait). Diese Organisation ist ausschließlich für die Arabischen Länder zuständig. Neben den Gründungsmitgliedern kamen später noch weiter Staaten hinzu (1970 Algerien, Bahrain, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, 1972 Irak und Syrien, 1973 Ägypten, 1982 Tunesien). Infolge des Jom-Kippur-Krieges (1973), in dem die USA Israel offiziell mit Kriegsmaterial unterstützte, drosselten die Mitglieder der OAPEC eine Zeit lang die Ölförderung und belegten die USA mit einem Ölembargo, was zu einer internationalen Ölkrise führte und den Industriestaaten ihre Abhängigkeit von fossiler Energie vor Augen führte.

In den 1970er Jahren übernahm der saudi-arabische Staat in mehreren Schritten die Kontrolle über die ARAMCO. 1980 befand sich der Konzern schließlich vollständig in Staatsbesitz, was 1988 zur Umbenennung in Saudi Arabian Oil Company führte, wobei der Markenname in der Form Saudi Aramco beibehalten wurde. Was Saudi-Aramco und die dahinter stehende saudische Königsdynastie inzwischen für eine Macht hatte, zeigte sich in den 1980er Jahren, als die Erhöhung der saudischen Ölförderung die Sowjetunion in den wirtschaftlichen Ruin trieb.

Ab 1979/1980 stiegen die Ölpreise aufgrund der islamischen Revolution im Iran und dem beginnenden Irak-Iran-Krieg kurzzeitig bis auf 39,50 US-Dollar/Barrel an. Von 1981 bis 1983 fiel er jedoch wieder, da sich die Industriestaaten in einer Rezession befanden und der Ölabsatz zurückging. Zudem investierten viele Länder in alternative Energiequellen wie die Atomenergie. Die Saudis stützten den Ölpreis ein Weile, in dem sie die Förderung zurückfuhren. Da sich jedoch einige OPEC-Mitglieder nicht an die getroffenen Vereinbarungen hielten, um sich Vorteile zu verschaffen, fuhr Saudi-Arabien die Ölförderung ab Ende 1985 wieder hoch. Das hatte zur Folge, dass die Ölpreise bis 1986 von 32 US-Dollar/Barrel auf unter 10 US-Dollar/Barrel fielen.

Den Industriestaaten in Europa und Nordamerika bescherte dieser Preisverfall mehrere fette Jahre. Für die ohnehin stagnierende Wirtschaft der Sowjetunion, die stark abhängig von Öl- und Gasexporten war, bedeutete dieser Preisverfall jedoch den Todesstoß. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas dienten zum Teil dazu, große Mengen Weizen zur Versorgung der Bevölkerung in westlichen Staaten einzukaufen, da die Staatswirtschaft in der Sowjetunion nicht in der Lage war, in dem riesigen Land selbst genug Weizen anzubauen. Das Staatsdefizit stieg von 1985, als Michail Gorbatschow an die Macht kam, bis 1988 von 12,8 Milliarden auf 80,6 Milliarden Rubel. Die Höhe der externen Kredite kletterte zwischen 1986 und 1989 von 30 Milliarden auf 50 Milliarden Dollar. Gorbatschow verkaufte sogar große Teile der Goldreserven (fast 2000 Tonnen Gold), um den Absturz aufzuhalten.

An einer weiteren Aufrüstung auf Augenhöhe mit den Amerikanern war ebenfalls nicht mehr zu denken. Schon 1986 nahm die Sowjetunion mit den USA Abrüstungsverhandlungen auf. 1988 wurde der der kostspielige Krieg in Afghanistan beendet. Gorbatschows Reformpläne (Glasnost, Perestroika) verpufften angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage weitgehend, auch wenn sie im Ausland wohlwollend aufgenommen wurden. Angesichts der Probleme im eigenen Land gab Gorbatschow Anfang 1988 die seit 1968 geltende Breschnew-Doktrin auf, die die begrenzte Souveränität der Ostblockstaaten festschrieb, was dazu führte, dass Ungarn im Mai 1989 die Grenze zu Österreich öffnete. Die anschließende Flucht von DDR-Bürgern über diese Route führte schließlich im Herbst 1989 zur friedlichen Revolution in der DDR und zum endgültigen Zusammenbruch des gesamten Ostblocks. Michail Gorbatschow gab später gegenüber dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl zu, dass der Verfall des Ölpreises ab 1986 der sowjetischen Wirtschaft das Genick gebrochen hat.

Bis heute wird darüber gerätselt, ob das Vorgehen Saudi-Arabiens und die daraus resultierenden Folgen eher ein ungeplanter Zufall waren oder ob es diesbezüglich Absprachen zwischen der amerikanischen Regierung und dem damaligen saudi-arabischen König Fahd gegeben hat. Ronald Reagan hatte sich das Ziel gesetzt, den Kommunismus zu besiegen. Entweder indem er ihn totrüstete oder durch andere geeignete Maßnahmen. Richard Allen, Reagans nationaler Sicherheitsberater, glaubt, dass CIA-Direktor William Casey, der sich 1986 nach der Tschernobyl-Katastrophe mit König Fahd zu Gesprächen traf, den Saudis finanzielle Wiedergutmachung als Gegenleistung angeboten hat. Beweise dafür gibt es jedoch keine. Immerhin war selbst die amerikanische Regierung überrascht, mit welcher Schnelligkeit der Osblock zusammenbrach.

Der niedrige Ölpreis in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre führte auch dazu, dass der Krieg zwischen dem Irak und Iran 1987 beendet werden musste, da beide Länder hochverschuldet waren und keine Möglichkeit hatten, ihre Kredite zurückzuzahlen. Die schlechte finanzielle Situation des Irak trug dazu bei, dass Saddam Hussein 1990 in Kuwait einfiel und die Ölquellen besetzte, was wiederum den 2. Golfkrieg auslöste und zu einem Anstieg des Ölpreises führte. Saudi-Aramco musste die Produktion hochfahren und eingemottete Ölquellen wieder in Betrieb nehmen, um den Weltölmarkt stabil zu halten.

Ab Anfang der 1990er Jahre begann sich Saudi Aramco verstärkt auf den asiatischen Markt zu konzentrieren. 1993 schloss sich das Unternehmen, das bis dahin nur im Bereich Upstream (Exploration, Förderung) tätig war, aufgrund eines königlichen Dekrets mit der Saudi-Arabian Marketing and Refining Company (SAMAREC; Downstream-Aktivitäten; Transport, Raffination, Vertrieb) zusammen. In den 2000er Jahren erfolgte der Einstieg in die Petrolchemie. Saudi-Aramco betreibt zahlreiche Raffinerien in China, Indien, Japan, Saudi-Arabien, Südkorea und den USA. Außerdem besitzt der Konzern über seine Tochtergesellschaft Vela International Marine (Dubai) eine Öltanker-Flotte. Saudi Aramco ist der führende Rohölproduzent der Welt. Der überwiegende Teil des saudi-arabischen Erdöls stammt aus den weltgrößten Ölfeldern Ghawar und Safaniya im Nordosten des Landes.

Im Dezember 2019 brachte der saudi-arabische Staat 1,5 Prozent der Saudi-Aramco-Aktien für 25,6 Milliarden Dollar an die Börse von Riad. Dadurch stieg Saudi Aramco mit einem Börsenwert von 1,7 Billionen Dollar zum wertvollsten Unternehmen der Welt auf (vor Apple und Microsoft). Gleichzeit war der Börsengang von Saudi Aramco bis dahin der größte aller Zeiten (vor Alibaba 2014 und General Motors 2009). Inzwischen verwendet die Saudi Arabian Oil Company nur noch den früheren Markennamen Aramco (anstatt Saudi Aramco).

Text: Toralf Czartowski