Markenlexikon

Al Jazeera

Ursprungsland: Katar

Lange Zeit war es in arabischen Ländern äußerst schwierig an einigermaßen wahrheitsgetreue politische Informationen zu kommen. Die zumeist diktatorischen Regierungen benutzten die staatlichen Rundfunk- und Fernsehsender lediglich dazu, ihre eigene Sicht der Dinge unters Volk zu bringen, um so ihre Macht zu sichern. Und ausländische Sender wie BBC oder CNN hatten auf die dortigen Geschehnisse eine eher westlich eingefärbte Sichtweise.

Nachdem das arabischsprachige Programm der BBC in Saudi-Arabien wegen Zensurforderungen im April 1996 eingestellt werden musste, gründete der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Chalifa Al Than, den Sender Al Jazeera (arab. Die Insel = die arabische Halbinsel). Zahlreiche BBC-Mitarbeiter gingen daraufhin zu Al Jazeera. Ziel des neuen Senders, der am 1. November 1996 mit der Austrahlung seines Programms über Satellit begann, war eine umfassende Berichterstattung aus allen arabischen Ländern, und zwar aus arabischer Sicht und ohne politische und gesellschaftliche Tabus. Die Macher nahmen kein Blatt vor den Mund; sie diskutierten kontrovers über die Regierungen vieler Golfstaaten (erstmals kamen auch Oppositionelle zu Wort), sie waren die einzigen Journalisten, die während der allierten Luftangriffe 1998 live aus Bagdad berichteten und sie filmten im März 2001 die Sprengung der Buddha-Statuen von Bamian (Afghanistan) durch die Taliban. Diese Bilder gingen um die Welt und machten Al Jazeera innerhalb kurzer Zeit zu einer Art »arabischen CNN«. Der Al-Jazeera-Reporter Taisir Alluni, der 2005 wegen seiner Nähe zur Terrororganisation al-Qaida in Spanien zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, führte wenige Wochen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ein TV-Interview mit Osama bin Laden, das allerdings nie ausgestrahlt wurde.

Zehn Jahre nach der Gründung stand Al Jazeera auf der Rangliste der bekanntesten Marken der Welt bereits auf Platz fünf. Der Sender wurde jedoch auch immer wieder Ziel harscher Kritik, nicht nur aus den arabischen Staaten (dass bei Al Jazeera auch israelische Journalisten und Politiker zu Wort kamen, war den arabischen Zuschauern dann doch zuviel Offenheit), sondern auch aus westlichen Ländern, besonders der USA. Kritisiert wurde vor allem die Tatsache, dass der Sender von Terroristen wie Osama bin Laden, Aiman al-Sawahiri oder Abu Mussab al-Sarkawi durch die Ausstrahlung von Videobotschaften und Bekennervideos als Sprachrohr instrumentalisieren ließ. Ebenfalls in der Kritik standen die zu große Nähe zu Diktatoren wie Saddam Hussein oder den Taliban. Wenig Gefallen bei den Amerikanern fanden auch Bilder von getöteten US-Soldaten oder irakischen Zivilisten, die nichts mit dem von der US-Regierung propagierten sauberen High-Tech-Krieg zu tun hatten. Zweimal wurden Büros des Senders durch US-Luftangriffe zerstört (November 2001 in Kabul, April 2003 in Bagdad), ob durch Zufall oder bewusst ist bis heute unklar.

Im November 2006 startete Al Jazeera einen englischsprachigen Nachrichtenkanal, der nun auch die nicht-arabische Bevölkerung mit Informationen aus der arabischen Welt versorgt. Al Jazeera wird heute täglich von rund 40 Millionen Zuschauern im Nahen Osten gesehen. Trotzdem halten sich internationale Konzern mit ihren Werbeaktivtäten zurück, sodass der Sender weiterhin hauptsächlich von der katarischen Herrscherfamilie finanziert wird. Im März 2003 startete der Medienkonzern Middle East Broadcasting Center (MBC) aus Dubai den Konkurrenzsender Al Arabiya.

Der Versuch mit einem eigenen Sender in den USA Fuß zu Fassen (Al Jazeera America) schlug nach drei Jahren fehl (2013 – 2016); Hauptgründe waren u.a. die schlechte Platzierung innerhalb des Kabelnetzes (die US-Kabelanbieter verbannten den Sender auf die hinteren Plätze oder boten ihn nur über teure Extra-Pakete an) und nicht zuletzt die generellen Vorbehalt vieler Amerikaner gegen einen arabischen Sender (»Sprachrohr für Extremisten«). Zu besten Zeiten wurde Al Jazeera America von gerade einmal 30.000 Zuschauern eingeschalten.

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